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Die Knochen der Goetter

Die Knochen der Goetter

Titel: Die Knochen der Goetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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gleichzeitig, sich auf alles, was um sie herum passierte, mit seiner ganzen Kraft zu konzentrieren. Diesmal sollte ihm nichts Wichtiges mehr entgleiten. Diesmal, denn er war sich sicher, dass es sich wieder um die Flut handelte.
    Die Mauer stand an einem hellen Sandweg. Sie war zu hoch, als dass man über sie hätte hinwegschauen können. Aber dahinter waren Stimmen und Geräusche zu hören.
    Rufus blickte nach links. Etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt ragte ein hölzernes Vordach auf zwei schlanken Säulen aus der Mauer. War das ein Eingang? Rufus erkannte, dass in seinem Schatten zwei Wächter mit Lanzen und Schilden postiert waren.
    Im nächsten Moment schreckte ein Vogelschrei ihn auf. Neben ihm fuhr Filine zusammen.
    »Was ist das?«
    Die Lehrlinge blickten auf. Über ihnen in der Luft kreisten mehrere dunkle Raubvögel, die laute, trillernde Rufe ausstießen.
    »Was sind das denn für komische Vögel?« No hielt sich eine Hand über die Augen, um besser sehen zu können. »Das klingt ja fast wie ein Wiehern, wenn die schreien!«
    »Das stimmt, es sind Schwarzmilane«, sagte Filine leise. »Greifvögel und Aasfresser.«
    »Und woher weißt du das schon wieder?« Rufus’ Blick folgte den Vögeln. »Wo sind wir überhaupt? Und warum zeigt sich das jetzt wieder?«
    Filine sah in den strahlend blauen Himmel. »Die Flut ist wiedergekommen, als wir die Blume beim richtigen Namen genannt haben. Die Ägyptische Lotosblume.«
    »Ägypten?« Rufus sog die Luft ein. »Ja, stimmt, du hast das gesagt. Aber der Junge sah doch mehr wie ein Schwarzafrikaner aus. Und überhaupt, wieso kennst du dich damit so gut aus? Kennst du deswegen diese Vögel?«
    Aber Filine antwortete nicht. Sie sah noch immer zu den Vögeln empor. Ihre grünen Augen leuchteten wieder sehr hell. Gleichzeitig wirkte sie etwas blass um die Nase. Dann sagte sie: »Dass die Vögel hier sind, könnte mit diesem Geruch zusammenhängen. Wisst ihr, was ich glaube?«
    No schüttelte den Kopf. »Nein, keine Ahnung.«
    »Na ja, vorhin war da auch ein Vogel. Und jetzt sind wieder welche da. Und vorhin hat der Junge doch den Vogel verscheucht.«
    »Aber jetzt ist der Junge nicht da«, unterbrach sie Rufus und sah hinüber zu den Wachen. »Ich hoffe nur, er ist nicht da drin. Da kommen wir bestimmt nie rein.«
    »Wieso denn nicht? Meinst du, die können uns sehen? Das hat der Junge doch vorhin auch nicht!« No hob eine Hand und winkte den Männern zu.
    »Bist du verrückt?« Filine packte ihn am Arm und hielt ihn wieder fest.
    Aber No hatte recht, die Wachen reagierten nicht auf ihn. »Die sehen uns nicht«, sagte er beruhigend.
    »Pass trotzdem gefälligst auf, was du tust«, zischte Filine wütend. »Ich habe keine Lust, von denen verscheucht zu werden. Oder aufgespießt.«
    No sah sie erschrocken an. »Meinst du, das kann passieren?«
    »Ich weiß es nicht«, gab sie zurück. »Aber ich will es nicht am eigenen Leib rausfinden.«
    Unwillkürlich duckte sich No. »Okay, sorry. Aber wieso stehen die da überhaupt? Was ist hinter der Mauer? Und was haben die Vögel damit zu tun?«
    »Das wollte ich ja gerade erklären«, sagte Filine schnell. »Ich glaube, dass hinter der Mauer ein ägyptischer Tempel ist. Oder zumindest so etwas Ähnliches.«
    »He, das können wir doch leicht feststellen«, rief Rufus eifrig. »Wenn wir für sie wirklich unsichtbar sind, können wir uns doch alles in Ruhe ansehen. Außerdem sollten wir den Jungen suchen. Ich glaube, er ist die Verbindung zu der Flut.«
    »Es könnte genauso gut der türkisfarbene Vogel sein«, hielt Filine ihm entgegen.
    »Ja«, sagte Rufus. »Das müssen wir herausfinden.«
    Als hätten Rufus’ Worte es heraufbeschworen, kam in diesem Moment der dunkelhäutige Junge um die Ecke der Mauer gelaufen. Er hielt einen dünnen Bambusstab in der Hand und schlug damit nach einer Katze, die mit irgendetwas im Maul vor ihm um die Ecke geschossen war. Als der Schlag sie traf, ließ sie es fallen.
    Wieder schlug der Junge nach ihr. Fauchend raste das Tier über den Weg davon und verschwand irgendwo außerhalb des Blickfelds der drei Lehrlinge.
    »Seht mal«, sagte Rufus. »Da scheint die Flut aufzuhören. Die Katze ist einfach verschwunden.«
    »Ja, man sieht wohl nur die direkte Umgebung um das herum, was wichtig ist«, bestätigte Filine.
    Sie sahen dem Jungen zu, der die verlorene Beute der Katze aufgehoben hatte und damit weiter an der Mauer entlangging. Im Gegensatz zum Halbdunkel im Fellsaal war er hier im

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