Die Knochen der Goetter
höchsten Punkt des Dachs.
Jetzt erst begriff Filine, was No vorhatte. »Er will auf dem Dach nach dem Jungen Ausschau halten.«
Im selben Moment schrie No vom Dach: »Da ist er! Ich sehe ihn. Da draußen ist alles Wüste! Er geht weg. Er ist direkt hinter dem Tor.«
Während er noch sprach, erschien das Tor wieder in der Mauer.
»Ihm nach«, ordnete Rufus an.
No sprang vom Dach in die nächste Salzinsel und landete weich. Dann wischte er sich mit der Hand über den Mund. Im nächsten Moment spuckte er heftig aus.
»Iih! Ich kann das sogar schmecken! Bäh, ist das eklig! Keiner sieht mich hier, aber ich kann das Salz schmecken, das ist wirklich unheimlich.«
»Da musst du jetzt durch. Los!«, brüllte Rufus.
No rappelte sich auf. Seine gesamte Kleidung war voller Salz. Heftig spuckend folgte er Filine und Rufus. Draußen angekommen sahen sie eben noch den Jungen am hinteren Ende der Mauer um die Ecke verschwinden.
Sofort begann die Mauerecke zu verblassen.
Wie von der Tarantel gestochen jagten Filine, Rufus und No Nauri nach. Und sie hatten Glück. Als sie an die Ecke gelangten, wurde die Mauer wieder deutlich sichtbar und fest.
Rufus sah um die Ecke.
Die Lehrlinge standen auf einem kleinen Hügel und vor ihnen war es, als entwickelte sich die Welt wie ein Foto.
Der Junge lief ein Stück weit entfernt auf einer staubigen Straße durch die Wüste. Mit jedem seiner Schritte tauchten um ihn herum immer mehr Details auf.
»Puh!«, stöhnte No. »Da haben wir noch mal Glück gehabt.« Er klopfte sich das Salz von der Kleidung. »Das Zeug ist sogar in meinen Taschen.«
Rufus lachte, hielt aber den Blick fest auf Nauri gerichtet. Dieser passierte eben eine hohe Säule, die einsam im Sand stand. Dann erhoben sich rund um sie plötzlich rötliche Bergrücken, durch die der Weg hinab in eine Ebene führte. Nauri lief durch ein Stück Wüste auf eine Mauer zu. Hinter dieser begannen sich Dächer und einige Straßen abzuzeichnen. Da war eine kleine Stadt! Und dann war es, als öffnete sich auf einen Schlag der Himmel. Ein ganzes Stück hinter der Stadt zeigte sich ein breiter blauer Flusslauf, an dessen Ufer ein grüner Streifen aus Palmen und Grasflächen sichtbar wurde. Dazu senkte sich tiefrotes Abendlicht über die Szene. Das Wasser des Flusses glänzte noch blau, aber überall breiteten sich bereits Schatten aus.
Und im nächsten Augenblick war die Flut verschwunden.
»He!«, rief Filine. »Was soll das?«
Entsetzt sah sie sich um. Als wären sie nicht noch vor einer Sekunde in Ägypten gewesen, saßen die drei Lehrlinge in der Bibliothek und starrten sich quer über den Tisch an.
»Wir haben bestimmt wieder was falsch gemacht«, stammelte No. »In die falsche Richtung geguckt oder so.«
Rufus sah ihn verstört an. »Haben wir nicht!«
»Das glaube ich auch nicht«, sagte Filine.
»Aber irgendwas müssen wir doch verbockt haben«, widersprach No und starrte betreten vor sich. »Es ist einfach zu schwierig. Es gibt die ganze Zeit so viel zu sehen, dass man zu leicht abgelenkt wird.«
»Hör auf!«, rief Filine verzweifelt. »Wir hatten Nauri gerade wiedergefunden. Und das war dein Erfolg, No! Wenn du nicht so schnell reagiert hättest und auf das Dach geklettert wärest, hätten wir ihn verloren. Und deine Idee mit dem Zeitsprung war auch richtig. Bei unserer Ankunft war die Sonne noch strahlend hell, und eben war sie schon tiefrot. Wir haben nichts falsch gemacht.«
»Aber woran soll es denn sonst liegen?« No sprang wütend auf. »Da, seht ihr?! Sogar das Salz ist weg. Eben hatte ich noch die Taschen voll und jetzt ist da nur noch Luft.«
Filine musterte ihn. Sie schien scharf nachzudenken. »Man kann eben offensichtlich nichts aus der Flut mitnehmen. Man kann sich bewegen und die Dinge berühren, aber nichts mitnehmen.«
»Und die Menschen haben uns auch nicht wahrgenommen«, sagte Rufus. »Du hast keinen Fehler gemacht, No! Das müssen Flutgesetze sein. Vielleicht zieht sie sich einfach zwischendurch zurück. Vielleicht muss sie mal eine Pause einlegen oder so?«
»Ja, klar, damit wir uns frisches Popcorn holen können oder warum?!«, murrte No.
»Eher nicht«, grinste Rufus. »Vielleicht muss sie sich neu ordnen oder was weiß ich, wie man das nennt. Vielleicht dauert eine Flut einfach nicht in einem durch von Anfang bis Ende?!« Er nickte No aufmunternd zu.
»Ich weiß nicht. Ich hab kein gutes Gefühl!«, sagte No.
»Ich eigentlich schon«, sagte Filine. »Ich verstehe zwar nicht,
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