Die Knochenkammer
seid?«
»Ja«, murmelte ich schläfrig.
»Also in welches Leichenschauhaus bringt Mike die Leiche?«
»Unseres.«
»Wie hast du die Leiche von Jersey hier rübergebracht?«
»Ich hab sie gestohlen.«
»Nein, im Ernst.«
»Das ist mein Ernst.«
Ich hatte es mir gerade bequem gemacht, als sich Jake wieder auf einen Ellbogen stützte. »Hast du die Story schon jemandem gegeben?«
»Mach dich nicht lächerlich. Der Hals, den du geküsst hast, er ist vielleicht nicht aus Marmor, aber ich hätte gerne, dass er unversehrt bleibt. Regel Nummer eins lautet, dass ich den Bezirksstaatsanwalt über den Fall unterrichten muss, bevor irgendjemand eine Pressemitteilung schreibt. Das weißt du doch.«
Ich kannte niemanden, der besser mit den Medien umzugehen wusste als Paul Battaglia. Er war klug genug, um von Reportern Gefälligkeiten in Form von Informationen und anonymen Quellen einzufordern, und er wusste, wie er sich durch das sorgfältige Timing und Veröffentlichen einer Story revanchieren konnte. Oder durch einen Exklusivbericht, falls es das Thema hergab. Das hier musste er entscheiden.
»Du denkst, dass sich diese Geschichte nicht herumsprechen wird?«
»Fürs Erste nicht. Es liegt nicht in Thibodaux’ Interesse, ein Gerücht in Umlauf zu bringen, wonach eine junge Frau auf ihrem Weg aus dem Museum den Weg aller Sterblichen ging, falls das der Fall ist. Niemand weiß, wer sie ist oder wo und wie sie gestorben ist. Und Mike Chapman hasst die Presse - wie jeder in seinem Dezernat. Die Medien erschweren ihnen nur die Arbeit, vor allem in einem skandalträchtigen Fall. Und ich bin so vernünftig, die Sache bei Paul Battaglia abzuladen. Ganz zu schweigen davon, dass ich jetzt todmüde bin. Können wir morgen darüber reden?«
»Aber davon rede ich, Liebling. Ich bin zum Frühstück mit Brian Williams verabredet.« Jake vertrat Williams hin und wieder als Anchor in den Abendnachrichten, und sie waren gute Freunde geworden.
»Vergiss es!«
»Ich würde nie ohne deine Erlaubnis mit jemandem über deine Fälle sprechen. Das weißt du. Aber dieser hier wird innerhalb von vierundzwanzig Stunden publik sein. Eine Tote in einem antiken Sarkophag aus einem der größten Kunstmuseen Amerikas, dazu noch eine umstrittene Staatsanwältin, die die Leiche aus ihrem Zuständigkeitsbereich entwendet hat - so eine Story lässt sich nicht geheim halten.
Wir werden es geschmackvoll tun, Liebling. Es könnte unser Aufmacher sein.«
»Spar dir das Liebling für ein andermal, ja? Wenn du jemandem davon erzählst, dann schwör ich dir, dass ich nie wieder auch nur ein Wort mit dir reden werde.« Ich zog mir die dünne Decke über den Kopf, um die Unterhaltung zu beenden.
Nicht genug, dass der Sarg Risse bekommen hatte. Jetzt musste ich mir auch noch über undichte Stellen in meinem eigenen Schlafzimmer Gedanken machen.
»Ich wäre gerne dabei, wenn Sie meine Tochter vernehmen, Madam.«
»Ich werde alle Ihre Fragen beantworten, Mrs. Alfieri, sobald ich mit Angel fertig bin. Bis dahin möchte ich Sie bitten, im Warteraum Platz zu nehmen. Ich gebe Ihnen eine Zeitung zum Lesen. Der Detective und ich müssen allein mit ihr sprechen.«
»Aber sie ist erst vierzehn. Ich habe ein Recht -«
Irgendwie hatte jeder eine lange Liste an Rechten, die ich nirgendwo in der Verfassung finden konnte. »Wir bereiten Ihre Tochter auf ihre Aussage vor der Grand Jury vor. Letzteres ist das, was wir Anwälte ein nicht öffentliches Verfahren nennen. Abgesehen von den Geschworenen und dem Protokollführer werde ich die einzige Person sein, die mit Angel im Raum ist. Ich muss sie daran gewöhnen, mir zu erzählen, was passiert ist, ohne dass Sie ihr das Händchen halten.«
Sie sah mich stirnrunzelnd an und watschelte hinter Detective Vandomir den Gang hinunter. Ich wartete vor meiner Bürotür auf ihn. »Gut gemacht«, sagte er. »Ich konnte sie letzte Nacht nicht loswerden.«
»Meine erste Faustregel im Umgang mit einer unehrlichen Zeugin: Schaff dir die Mutter, den Freund, die Schwester vom Hals! Egal wie, Hauptsache, es funktioniert. Wenn sie vor jemandem, dem sie nahe stehen, zugeben sollen, dass sie gelogen haben, erfährt man nie die Wahrheit. Wie weit sind Sie mit ihr?«
»Die Mutter arbeitet für einen dieser Expressdienste. Zehn Uhr abends bis vier Uhr morgens, fünfmal die Woche. Der Exmann lebt in Florida. Angel und ihre zwei kleinen Brüder sind also allein zu Hause. Der Täter ist ein livrierter Chauffeur, der Angel vor etwa einem Monat
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