Die Knochenkammer
Thibodaux’ französischer Akzent entging dem müden Mann vom Sicherheitsdienst, dessen Schicht wahrscheinlich um Mitternacht zu Ende war. »Was sagten Sie?«
»Wir sind hier, um uns mit einigen Leuten vom Metropolitan Museum zu treffen, irgendwo in -«
Ich beugte mich vor, klappte meine Lederbrieftasche auf und hielt dem Mann meine goldblaue Dienstmarke unter die Nase. »Ich bin Alexandra Cooper, Bezirksstaatsanwaltschaft. Wir werden auf dem Gelände von einigen Detectives erwartet.«
Ich sah auf die Rückseite des Programmheftchens, wo ich mir den Treffpunkt notiert hatte, als ich vor einer Viertelstunde von meinem Handy aus mit Mike Chapman telefoniert hatte. »Sie sind in Abschnitt G-acht. Wo ist das?«
Der Mann drückte auf den Knopf, der den Maschendrahtzaun öffnete, und wies uns mit der anderen Hand, in der er eine Zigarette hielt, die Richtung. »Ein paar hundert Meter nach links. Dann rechts hinter den Tropicana-Containern. Die großen Orangen drauf sind nicht zu übersehen. Ihre Cops sind schon dort.«
Die Tatsache, dass der Frachthafen auf der anderen Seite des Flusses in Newark, New Jersey, lag, hatte Chapman nicht im Geringsten abgeschreckt. Da das Grundstück der Aufsicht der Hafenbehörde von New York und New Jersey unterstand, hielt er es für einen Versuch wert, sich die Sache mal anzusehen. Etwaige Bedenken, dass meine New Yorker Dienstmarke uns keinen Zutritt verschaffen würde, waren von kurzer Dauer gewesen.
Die Lincoln-Limousine glitt wie ein Schwan zwischen den riesigen, sperrigen Metallcontainern hindurch, die geduldig darauf warteten, an unzählige Orte in aller Welt verschifft zu werden. Sie blieb zwischen zwei Containern hinter einem Sattelschlepperanhänger stehen, in dessen Inneres eine Rampe hinaufführte.
Thibodaux war ausgestiegen, noch ehe der Chauffeur den Motor abgestellt hatte. Ich sah, wie Mike auf den Direktor zuging und sich vorstellte, bevor er zum Auto kam, um mir beim Aussteigen behilflich zu sein.
»Kommt Lon Chaney auch, oder können wir anfangen?«
Er nahm meine Hand, und ich kletterte aus dem Auto auf den Kies, froh, dass ich meinen schwarzen Seidenhosenanzug anhatte und nicht das Abendkleid, das sich Nina ausgeliehen hatte. Ich hatte sie und Jake zum Abendessen geschickt, nachdem ich Mike zu Hause angerufen und ihn gebeten hatte, mich hier zu treffen.
»Wer ist der Franzmann?«
»Der neue Direktor des Metropolitan Museum of Art. Er erhielt den Anruf während eines Empfangs heute Abend. Als er erfuhr, dass man eine Leiche gefunden hatte, fragte er mich um Rat. Es hat eine Weile gedauert, bis er kapiert hat, dass er es sich nicht aussuchen kann, ob er den Leichenfund meldet oder nicht. Er hofft, dass diese Geschichte nicht an die große Glocke gehängt wird.« Ich schüttelte den Kopf.
»Cleopatras Tiefschlaf im Hafen von Newark? Das ist den Boulevardblättern wahrscheinlich nur acht oder neun Tage Schlagzeilen wert.«
»Wer ist noch hier, außer dir und Lenny?«
»Die zwei Anzugträger sind Museumsfritzen. Sie haben kurz vor sechs den Anruf des Lastwagenfahrers erhalten. Sie kamen hierher, um es sich zuerst selbst anzusehen, bevor sie den Boss einschalteten. Der Lastwagenfahrer sitzt in seiner Kabine, mampft an seinem Sandwich und hört sich das Baseballspiel im Radio an. Zusätzliche Innings, Yanks und Red Sox, unentschieden nach dem zehnten Inning. Dein Liebling Pettitte hat in den ersten sieben Innings großartig gepitcht. Joe hätte ihn nicht rausnehmen sollen. Die zwei Quadratmarken dort gehören zum privaten Sicherheitsdienst des Hafens. Ihr Hund hat die Leiche erschnüffelt.«
»Quadratmarken« war Polizeislang für ziviles Wachpersonal, das von Privatunternehmen, von Einkaufszentren bis hin zu Schiffswerften, angeheuert wurde.
»Wo ist sie?«
Mike, der mit dem Rücken zum Lastwagen stand, zeigte mit dem Daumen über die Schulter.
»Die Rampe hinauf. Sie ruht friedlich in der Obhut von Tri-State Transit.«
»Nicht entladen?«
»Nein. Normalerweise werden die Trucks abgeladen, sobald sie auf das Hafengelände fahren. Die meisten Gegenstände sind in Holzkisten verpackt, mit Etiketten versehen und fertig für den Transport nach Übersee. Die Kisten werden entladen und dann mit einer Winde in Container gehievt, diese werden dann wiederum auf die Frachter verladen. Der ganze Ort hier sieht aus wie meine Spielzeugeisenbahn auf Steroiden.«
Ich sah mich um. Riesige Container, so weit das Auge reichte.
»Sobald die Sachen entladen sind, lässt der
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