Die Köchin und der Kardinal
Samt ausgeschlagen, bunte Federn schmückten die Hüte, und an den hohen Stiefeln trugen sie Sporen. Auf den Tischen vor ihnen standen Tonschüsseln mit Wildschweinbraten, Krautsalat und gekochten Pflaumen. Die Teller waren randvoll, und sie tranken Wein aus Zinnbechern. Sie waren nicht mehr ganz nüchtern und starrten ihnen entgegen.
»Holla, Ihr süßen Jungfern, habt Ihr schon ein Bett für die Nacht?«, rief einer und prostete ihnen zu.
»Ich weiß, wo ich hingehöre«, antwortete Elisabeth.
Agnes streckte die Brust heraus, stemmte die Arme in die Hüften und sagte: »Was wäre es Euch denn wert, mein Herr?«
Alle lachten dröhnend.
»Ein paar Gulden würde ich dabei schon springen lassen«, entgegnete der Sprecher. Elisabeth stieß Agnes in die Seite. »Was machst du denn da?«, zischte sie ihr zu. »Du hast wohl deine gute Erziehung vergessen!«
»Ich weiß, was ich tue«, gab Agnes schnippisch zurück.
Der Wirt tauchte aus der Küche auf. Er stellte einen Teller mit Kraut auf den Tisch und rief: »Ich habe es wohl gehört, meine Herren. Denkt nicht, dass Ihr hier derart verfahren könnt. Dies ist und bleibt ein ehrenhaftes Haus, in dem selbst die Bediensteten des Markgrafen verkehren!«
»Und denkt nicht, dass wir leichte Beute für Euch seien, nur weil wir keinen männlichen Schutz haben!«, setzte Elisabeth hinzu.
»So eine kalekutische Henne!«, schimpfte der Mann, der zuerst gesprochen hatte.
»Ich gewähre Euch Schutz, da Ihr beide ab heute bei mir arbeitet«, sagte der Wirt und strich sich eine Strähne aus dem feisten Gesicht. »Gegen Kost und Unterkunft.«
Seine Frau, ebenfalls recht beleibt, stand mit großen Augen am Eingang der Küche.
»Zeig ihnen das freie Zimmer, Melvine«, rief der Wirt seiner Frau zu und kehrte zu seinem Platz hinter dem Tresen zurück. Die Wirtin holte einen Kienspan aus der Küche und leuchtete ihnen auf einer Stiege nach oben voraus. Sie wies auf die Türen.
»Das waren früher Knechte- und Mägdekammern«, sagte sie.
»Und wer wohnt jetzt darin?«, fragte Elisabeth.
»Niemand«, gab die Wirtin zur Antwort. »Aber es dient immer wieder durchziehenden Söldnern als Quartier.«
Mit einem Blick auf Agnes sagte Elisabeth: »Dann hoffen wir mal, dass die Söldner der Stadt schon eine Bleibe gefunden haben.«
Der Raum war so ausgestattet, wie Elisabeth es erwartet hatte: zwei Betten mit strohgefüllten Matratzen, eine Truhe, ein Kreuz an der Wand. Sie richteten sich notdürftig ein und gingen dann wieder hinunter in den Gastraum. Die Adligen waren inzwischen verschwunden. Die Wirtin brachte ihnen eine dampfende Schüssel und zwei Zinnlöffel. Wie das duftete! Und es waren richtige Fleischbrocken in der Suppe, so etwas hatte es auch zu Hause nicht oft gegeben. Sie widmeten sich dem Essen.
Nach dem Spätmahl gähnte Elisabeth herzhaft.
»Es wird Zeit, ins Bett zu gehen«, meinte sie und leerte ihren Becher mit Wein.
»Ich bin aber noch nicht müde«, begehrte Agnes auf. »Lass uns noch ausgehen.«
»Wohin willst du ausgehen?«, fragte Elisabeth. »Ohne männliche Begleitung ist das sehr unschicklich, liebe Agnes!«
»Ich würde überhaupt nicht dazu raten, nachts auszugehen«, ließ sich Paul, der Wirt, vernehmen, »weder in männlicher noch ohne jede Begleitung.«
»Warum?«, fragte Elisabeth. Agnes machte ein trotziges Gesicht.
»Weil«, Paul beugte sich ein wenig näher zu ihr, »weil hier in der Stadt schwedische und französische Söldner einquartiert sind. Meine Frau Melvine hat es Euch gewiss schon erzählt. Denen kann man nicht trauen. Sie haben zwar die Stadt kaum ausgeplündert, als sie kamen, das haben schon der Markgraf und der Kardinal von Straßburg verhindert, aber sie nehmen sich, was sie kriegen können, auch Frauen und blutjunge Mädchen.«
Elisabeth erschrak. Die schrecklichen Bilder stiegen wieder vor ihren Augen auf.
»Aber warum ein Kardinal?«, fragte sie. »Der müsste doch katholisch sein und zu den Kaiserlichen, den Habsburgern, halten.«
»Kardinal Thomas Weltlin steht auf der Seite der Schweden.Nach der Niederlage in Nördlingen hat er sich dem Heer des Bernhard von Sachsen-Weimar angeschlossen und weilt nun hier in der Residenz des Markgrafen. Die Schweden und die Franzosen kämpfen gemeinsam gegen den Kaiser von Habsburg.«
»Ach, deshalb sind wir hier so gut gelitten«, sagte Elisabeth. »Als Protestanten haben sie von uns nichts zu befürchten, sozusagen.«
»So ist es«, sagte Paul, der Wirt.
Elisabeth beschloss, einen
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