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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Vorstoß zu wagen.
    »Wisst Ihr auch, wo sich die kaiserliche Armee gerade befindet?«, fragte sie gespannt.
    »Umherziehende Söldner haben berichtet«, antwortete der Wirt, »dass sie von Herrenberg über Calw nach Neuenbürg gezogen seien und von dort nach Ettlingen ins Winterquartier gehen wollen.«
    »Wo liegt Ettlingen?«, wollte Elisabeth wissen.
    »Etwa eine Tagesreise von hier«, sagte der Wirt.
    Das war ja gar nicht so weit entfernt. Vielleicht würde sie Jakob doch noch einmal begegnen, sie wünschte es sich so sehr. Sie versuchte, sich an den Klang seiner Stimme zu erinnern. War seine Mundart nicht von der ihren verschieden gewesen? Es hatte so wie das Bayerische geklungen, das sie schon von fahrenden Händlern gehört hatte.
    »Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte Melvine, die Wirtin, die wieder dick und rosig in der Öffnung zur Küche stand.
    »Man sollte immer wissen, wo der Feind gerade steht«, antwortete Agnes anstelle ihrer Schwester.

3.
    Jakob war froh, der Gegend den Rücken kehren zu können. Er fühlte sich miserabel. Bei der Zerstörung Calws waren fast alle Häuser verbrannt, dreiundachtzig Menschen waren ums Leben gekommen, und Jakob wusste, dass noch eine Vielzahl davon an Hunger und Seuchen sterben würden. Er fragte sich, warum er dem Grauen keinen Einhalt geboten hatte. Gut, er hatte die beiden Mädchen vor den Söldnern gerettet und dafür zu sorgen versucht, dass nicht noch mehr Morde und Vergewaltigungen geschahen. Die Söldner waren ausgehungert und schon seit Tagen ohne Sold gewesen, so dass sie sich wie die wilden Horden auf die Vorräte und die Menschen der Stadt gestürzt hatten. Wenn die Calwer doch nur die Tore geöffnet und ihre Habe freiwillig hergegeben hätten! So aber hatten sie mit Brandschatzung drohen und, als die Calwer das Geld angeblich nicht aufbringen konnten, tatsächlich die Stadt anzünden müssen. Mit seinem Haufen zog Jakob durch das Nagoldtal, dann über die Kämme des Schwarzwaldes, um zum Heer von Jan van Werth aufzuschließen. Die Nebel der vergangenen Tage hatten sich gelichtet, eine milde Sonne beschien Wiesen, Wälder, Dörfer und einzelne Gehöfte. Spinnweben schwebten durch die Luft. Die bewaldeten Hänge glänzten schwarz, dazwischen flammten rot und gelb die Laubbäume auf. Seine Männer und er rasteten nur wenig. In den anderen Ortschaften war nicht so viel zu holen wie im reichen Calw. Das Heer Jan van Werths lagerte oben auf dem Schloss von Neuenbürg, der Stadt an der wilden Enz. Jakob zog mit seinem Haufen zum Schloss hinauf. Im Schlossgarten, der von einer Mauer umgeben war, standen unzählige Zelte, Feuer brannten, es dampfteaus Töpfen, die über der Glut hingen, Fett von jungen Schweinen zischte in die Glut. Es war ein babylonisches Gemisch aus fremden Sprachen, aus Menschenleibern, die Schweiß ausdünsteten, Kindern, Frauen und glänzenden Pferdeleibern. Pulverdampf vernebelte die Sicht, der Geruch von Rossäpfeln stand in der Luft. Das Heer umfasste viertausend Mann, und noch einmal so viele Personen bildeten den Tross mit den Familien der Söldner, mit Händlern, Marketenderinnen und Dirnen. Sie wohnten teils hier oben, teils in Zeltlagern vor der Stadt. Jan van Werth selbst bewohnte selbstverständlich das Schloss, die Eigentümer hatten sich derweil woanders einquartieren müssen. Er empfing Jakob im Speisesaal. Jakob rechnete damit, bald zum Hauptmann befördert zu werden, weil Johann von Werth große Stücke auf ihn hielt. Und Jakob wusste, dass es dann vorbei sein würde mit dem Hungern und Beutemachen, denn je höher man im Rang stand, desto besser die Verpflegung und auch die sonstigen Lebensumstände.
    »Gott zum Gruße, Bayer«, sagte van Werth. Das war sein Neckname für Jakob. Dabei kamen viele der Söldner des Heeres aus diesem Landstrich. Der General hatte ein rundes Gesicht mit Augenbrauen, die ständig wie fragend nach oben gezogen waren. Seine Haare trug er in geordneten Locken um den Kopf. Über dem Wams ragte der unausweichliche weiße Stehkragen empor, ein rotes Tuch war um seinen Hals geschlungen. Vor ihm stand eine Schüssel mit Hechtsuppe. Van Werth lud Jakob mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen. Eine Magd, die ihn hatte kommen sehen, trug ein weiteres Gedeck herein.
    »Du weißt ja, dass ich am liebsten alleine speise, Bayer«, sagte van Werth. »Nur dich habe ich gerne um mich. Du bist mir angenehmer als der Pöbel, der ohne Sinn und Verstand durch die Dörfer mordet und plündert.«
    Die Magd schöpfte

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