Die Koenigin der Rebellen
seit zwanzig Jahren zu uns!« protestierte der Rebellenführer. »Ich kenne ihn, solange er lebt! Das ist völlig unmöglich.« »Vielleicht haben sie ihn erst später ausgetauscht«, vermutete Skudder. »Aber wenn sie von uns wußten, wieso haben sie uns dann nicht längst getötet?« murmelte Kent. »Warum sollten sie?« fragte Skudder. »Ein Feind, den man kennt, ist nicht mehr gefährlich.« Er lachte ganz leise, deutete auf den verbrannten Kadaver und dann mit einer weit ausholenden Geste auf die Rebellen. »Sie haben euch ein bißchen Krieg spielen lassen und waren im übrigen wahrscheinlich ganz sicher, daß es außer euch keine wirklichen Rebellen gibt.« Niemand antwortete, und Charity bezweifelte auch, daß außer Kent überhaupt einer der Männer wirklich verstanden hatte, was Skudder mit seinen Worten meinte. Der Schock saß noch zu tief. Charity warf Skudder einen raschen, warnenden Blick zu, es nicht zu übertreiben, ging zu der zerborstenen Faergal-Hülle hinüber. Sie wollten sie berühren, aber sie konnte es nicht. Obwohl sie sich mit aller Macht einzureden versuchte, daß es nichts als Technik war, die sie sah, eine perfekte Mimikry aus dem Computer und vielleicht einem Cloning-Tank, löste der Anblick einen solch unüberwindlichen Ekel in ihr aus, daß sie es nicht einmal fertigbrachte, die Hand danach auszustrecken. Sie bat einen der Wächter um sein Messer. Der Mann reichte es ihr, und Charity zog die auseinandergeborstene Menschenmaske mit der Klinge herum, während sich Skudder, Kent und die anderen langsam um sie herum zu sammeln begannen. Was sie sah, war erschreckend und faszinierend zugleich. Die menschenimitierende Hülle war nur wenig dicker als ihr kleiner Finger, aber sie sah selbst jetzt noch entsetzlich lebendig aus. Es gab eine Unzahl mikroskopisch feiner Adern, in denen etwas wie Blut pulsierte, aber auch andere, seltsam formlose Organe, die nicht in einen menschlichen Körper gehörten und deren Funktion Charity erst gar nicht zu erraten versuchte. Selbst jetzt, als sie wußte, was sie vor sich hatte, hätte sie immer noch beschworen, es mit lebendem Fleisch und Blut zu tun zu haben, nicht mit künstlichem Material. »Das ist unglaublich«, murmelte sie. »Ich verstehe ja nicht viel davon, aber ich glaube, das ist die perfekteste Maske, die es jemals auf diesem Planeten gegeben hat. Das Ding blutet, wenn man es verletzt, stimmt's?« Der Mann, der in Faergals Begleitung gekommen war, nickte. »Voriges Jahr hat er sich den Arm gebrochen. Ich habe ihn selbst geschient. Ich ... ich habe es nicht einmal gemerkt.« »Vielleicht war er da noch er selbst«, sagte Skudder. Er runzelte die Stirn, als er sah, daß Charity den Kunstkörper mühsam ganz auseinanderbrach und mit angeekeltem Gesicht hineinblickte. »Was suchst du?« Charity antwortete nicht, sondern führte ihre Untersuchung zu Ende, obwohl sich ihr dabei schier der Magen herumzudrehen schien. Erst dann stand sie auf, wischte das Messer an der Hose des Toten sauber und gab es seinem Besitzer zurück. »Etwas, das nicht da war«, antwortete sie. »Ein Funkgerät, oder so etwas.« Kent erschrak sichtlich. »Du glaubst . . .« »Nein«, unterbrach ihn Charity rasch. »Das tue ich nicht. Ich habe es befürchtet. Aber es ist nichts da.« Und jetzt mußten sie nur noch beten, daß das Ding nicht telepathisch war, fügte sie in Gedanken hinzu. Aber das sprach sie lieber nicht laut aus. Plötzlich bedauerte sie es fast, den Insektenspion so gründlich ausgelöscht zu haben. Sein Leichnam hätte ihnen wertvolle Aufschlüsse über . . .
Sie dachte den Gedanken nicht einmal zu Ende, als sie den Fehler darin begriff. Wertvolle Aufschlüsse hätte der Kadaver einem Wissenschaftlerteam geben können, das in einem voll ausgerüsteten Labor arbeitete. Aber so etwas gab es nicht mehr. Sie hatte noch lange nicht gelernt, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Vielleicht würde sie es niemals wirklich lernen. Vielleicht wollte sie es auch gar nicht. »Schafft das weg«, sagte sie, müde und mit einer Kopfbewegung auf die zerrissene leere Hülle. »Und dann sollten wir vielleicht endlich tun, wozu wir hergekommen sind, und miteinander reden.« Es verging noch mehr als eine Stunde, bis sie endlich in Kents improvisierter Kommandozentrale zusammenkamen. Charity hatte darum gebeten, jeden einzelnen der Männer dabeizuhaben, die Zeuge der schrecklichen Ereignisse geworden waren; und selbstverständlich auch Bart, Net und El Gurk —
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