Die Koenigin der Rebellen
fort. »Glaubt ihr, Daniel würde nicht zwei und zwei zusammenzählen, wenn alle seine Spione mit einem Schlag von der Bildfläche verschwinden?« »Skudder hat recht«, sagte Charity rasch, ehe Tidewell auffahren konnte. »Alles muß so bleiben, wie es war. Deshalb wollte ich ja, daß niemand erfährt, was hier passiert ist. Ich weiß, daß es hart ist, aber ihr dürft niemandem vertrauen, der nicht jetzt hier bei uns im Raum ist. Nicht einmal euren besten Freunden.« »O ja, sicher«, sagte Tidewell spöttisch. »Wir sind ja genug, fast zwanzig Mann. Wir stürmen Daniels Festung einfach allein. Gegen diese Übermacht kann er nichts ausrichten.« »Ich brauche keine Armee«, antwortete Charity ruhig. »Skudder und ich gehen allein. Wir brauchen euer Wissen, nicht eure Männer.« »Ihr beide gegen Daniel?« Tidewell lachte gezwungen. »Ihr seid ja verrückt.« »Vielleicht«, mischte sich Kent ein. »Aber sie hat trotzdem recht, Tidewell.« Er versuchte, seiner Stimme einen besänftigenden Klang zu verleihen. »Zwei oder zweihundert, das spielt keine Rolle.« Er seufzte und sah Charity an. »Das Problem ist ein ganz anderes«, fuhr er fort. »Niemand kommt auch nur in Daniels Nähe. Nach dem kleinen Kunststück, das du uns vorhin vorgeführt hast, traue ich dir sogar zu, ihn zu erwischen. Aber ihr kommt nicht an ihn heran. Es gibt keinen Weg nach New York hinein.« »Unsinn!« widersprach Skudder scharf. »Daniels Leute schaffen es auch, und . . .« »Keinen, den wir gehen können«, fuhr Kent fort. Er machte eine unbestimmte Kopfbewegung in nördlicher Richtung. »Glaubt ihr, wir hätten es nicht hundertmal versucht? Der einzige Weg in die Stadt hinein führt durch die Luft. Und wir haben keine Flugmaschinen. Und selbst, wenn wir sie hätten, würden Daniels Gleiter sie abschießen, lange, ehe sie der Stadt auch nur nahe kämen. Das gleiche gilt für den Weg durch die Hügel.« »Wir haben Mittel und Wege, uns zu verteidigen«, sagte Charity. Aber die Worte klangen selbst in ihren eigenen Ohren nicht sehr überzeugend. Es war wohl nur so, daß sie die Wahrheit einfach noch nicht akzeptieren wollte. »Nicht gegen die Todeszone«, sagte Kent überzeugt. »Wir haben es versucht. Ein Dutzend guter Männer hat mit dem Leben dafür bezahlt. Glaubt ihr, wir hätten nicht längst über eine Möglichkeit nachgedacht, sie dort zu treffen, wo es ihnen wirklich etwas ausmacht?« Er schüttelte den Kopf, als Charity antworten wollte, und fuhr etwas leiser, aber beinahe traurig fort: »Ihr hattet recht mit dem, was ihr uns gestern vorgeworfen habt. Wir sind keine Rebellen, die wirklich Ernst machen.« Tidewell blickte ihn böse an, aber Kent fuhr ungerührt fort: »Trotzdem tun wir, was wir können. Aber wir können Moron nicht den Krieg erklären. Dazu haben wir weder die nötigen Leute noch die Mittel.« »Oder das Wissen«, fügte Arson hinzu. Charity sah ihn verwirrt an. »Wie meinst du das?« »Wir wissen ja noch nicht einmal, gegen wen wir wirklich kämpfen«, antwortete der Rebell. »Niemand hat die Schwarze Festung je betreten. Niemand weiß, wer darin sitzt.« »Die Schwarze Festung?« »Das Hauptquartier der Moroni«, erklärte Arson. »Ich glaube, nicht einmal Daniel hat es je betreten.« »Und wo liegt es?« »Wenn ich das wüßte, wäre ich nicht hier«, antwortete Arson. Charity schwieg einen Moment. Es paßte alles. Was sie hörte, so unglaublich es war, fügte sich nahtlos in das Bild, das sie sich von dieser neuen Welt gemacht hatte. Morons Herrschaft ruhte auf zwei Säulen: der Präsenz seiner Besatzungstruppen auf der einen und totaler Desorientierung auf der anderen Seite. Sie hatten den Menschen nicht nur einfach ihre Freiheit genommen. Sie hatten ihnen ihre Geschichte gestohlen und damit ihre Identität. Was ihr im ersten Moment lächerlich vorgekommen war — das absolute Verbot, sich an die Geschichte der Erde zu erinnern, Morons eifersüchtiges Wachen darüber, die sozialen Bindungen der überlebenden Erdbevölkerung zu zerstören —, das erwies sich auf den zweiten Blick als schlichtweg genial.
Sie sah Net an, und die Wastelanderin erwiderte ihren Blick, aber sie glaubte nicht, daß Net ahnte, was sie wirklich in ihr sah. Zwei Generationen, dachte sie. Vor zwei Generationen waren die Vorfahren dieses Mädchens Menschen wie sie gewesen, Amerikaner, die in einem freien Land geboren und aufgewachsen waren. Net und ihre Eltern erinnerten sich nicht einmal mehr daran, wie diese Welt
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