Die Königin der Weißen Rose
ich nie geglaubt, ich könnte verlieren oder in Gefangenschaft geraten. Ich habe nie geglaubt, dass ich sterben könnte. Merkwürdig, oder? Du musst mich für töricht halten. Aber in all der Zeit habe ich nie gedacht, es könnte mir etwas zustoßen, selbst dann nicht, als mein Vater und mein Bruder umkamen. Ich habe nie geglaubt, dass mir der Kopf abgeschlagen und auf eineStange auf die Stadtmauer gesteckt werden könnte. Ich habe mich für unschlagbar gehalten, für unverwundbar.»
Ich warte.
«Und jetzt weiß ich, dass ich das nicht bin», sagt er. «Ich habe es niemandem erzählt. Ich werde es auch niemandem erzählen außer dir. Ich bin nicht mehr der Mann, den du geheiratet hast, Elizabeth. Du hast einen Jungen geheiratet, der keine Angst kannte. Damals dachte ich, das hieße, dass ich mutig bin. Aber ich war nicht mutig – ich hatte einfach nur Glück. Bis jetzt. Jetzt bin ich ein Mann. Ich hatte Angst und bin geflohen.»
Ich bin kurz davor, ihm etwas einzuflüstern, irgendeine süße Lüge, doch dann entscheide ich mich für die Wahrheit. «Nur ein Narr fürchtet sich vor nichts», sage ich. «Ein mutiger Mann ist einer, der Furcht kennt und sich ihr stellt. Du bist geflohen, aber jetzt bist du wieder da. Willst du morgen vielleicht vor der Schlacht kneifen?»
«Gott bewahre!»
Ich lächle. «Dann bist du der Mann, den ich geheiratet habe. Denn der Mann, den ich geheiratet habe, war ein mutiger junger Mann, und ein mutiger Mann bist du noch. Der Mann, den ich geheiratet habe, kannte keine Furcht, er hatte keinen Sohn, und die Liebe kannte er auch nicht. Inzwischen haben wir dies alles zusammen erlebt, und es hat uns verändert, aber nicht verdorben.»
Er sieht mich sehr ernst an. «Glaubst du das?»
«Ja», sage ich. «Auch ich hatte Angst, aber seit du hier bei mir bist, habe ich keine mehr.»
Er zieht mich noch enger an sich. «Ich glaube, jetzt kann ich einschlafen», sagt er, getröstet wie ein kleiner Junge. Ich halte ihn zärtlich im Arm, als sei er mein Sohn.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, wundere ich mich über meine Freude, über das samtene Gefühl auf meiner Haut und die Wärme in meinem Bauch. Ich fühle mich erneuert und lebendig. Dann regt er sich neben mir, und ich weiß, dass ich sicher bin, dass er sicher ist, dass wir wieder zusammen sind und dass ich deswegen mit der Sonne auf meiner bloßen Haut aufgewacht bin. Im nächsten Augenblick fällt mir wieder ein, dass er gehen muss. Und obwohl er sich jetzt reckt, lächelt er heute Morgen nicht. Das erschüttert mich. Edward ist immer so zuversichtlich, doch heute Morgen ist seine Miene grimmig.
«Wehe, du sagst etwas, um mich aufzuhalten», sagt er kurz angebunden, steigt aus dem Bett und wirft sich die Kleider über. «Ich bringe es kaum über mich wegzugehen. Ich kann dich nicht schon wieder verlassen. Wenn du mich zurückhältst, ich schwöre es, dann zaudere ich. Lächle und wünsch mir Glück, Liebste. Ich brauche deinen Segen. Ich brauche deinen Mut.»
Ich schlucke meine Angst hinunter. «Du hast meinen Segen», sage ich angespannt. «Du hast meinen Segen, wohin auch immer du gehst. Und alles Glück der Welt.» Ich versuche fröhlich zu klingen, doch meine Stimme zittert. «Brichst du jetzt sofort auf?»
«Ich hole Henry, den sie früher König nannten», antwortet er, «und nehme ihn als Geisel mit. Ich habe ihn gestern in seinen Gemächern im Tower aufgesucht, bevor ich zu dir gekommen bin. Er hat mich erkannt. Er hat gesagt, er wisse, dass er bei mir, seinem Cousin, sicher sei. Er war wie ein Kind, der Ärmste. Er schien nicht zu wissen, dass er wieder König war.»
«Es gibt nur einen König von England», sage ich fest. «Und es hat nur einen König von England gegeben, seit du gekrönt wurdest.»
«Wir sehen uns in einigen Tagen wieder», verspricht er. «Und jetzt gehe ich, ohne deiner Mutter oder den Mädchen Auf Wiedersehen zu sagen. Es ist besser so. Lass mich einfach ziehen.»
«Willst du nicht einmal frühstücken?» Ich will nicht jammern, aber ich ertrage es kaum, ihn gehen zu lassen.
«Ich frühstücke mit den Männern.»
«Natürlich», sage ich fröhlich. «Und meine Jungen?»
«Die nehme ich mit. Sie können Botendienste übernehmen. Ich passe so gut auf sie auf, wie ich kann.»
Mein Herz setzt aus, ich habe Angst um sie. «Gut», sage ich. «Und überhaupt bist du ja spätestens in einer Woche zurück, nicht wahr?»
«So Gott will», erwidert er.
Das sagt der Mann, der mir geschworen hat,
Weitere Kostenlose Bücher