Die Königin der Weißen Rose
und will bis dahinwarten. Zusammen bilden sie eine gewaltige Streitmacht. George und Shrewsbury mit dessen Lehnsmännern allein reichen nicht aus. Ich muss Henry als Geisel nehmen, Margarete von Anjou entgegenreiten und sie stellen. Sie rechnen bestimmt damit, mich hier in die Zange nehmen zu können, aber die Schlacht wird da stattfinden, wo sie sind. Wenn ich Glück habe, treffe ich vor Margarete von Anjou auf Warwick. Dann kann ich ihn schlagen und mich danach mit ihr auseinandersetzen.»
Mein Mund ist trocken, ich würge meine Angst hinunter, als ich daran denke, wie er sich dem großen Heerführer und danach Margaretes mächtiger Armee stellen will. «Die französische Armee kommt mit Margarete herüber?»
«Es ist ein Wunder, dass sie noch nicht gelandet sind. Wir waren beide zur gleichen Zeit zur Überfahrt bereit. Wir waren drauf und dran, uns ein Rennen nach England zu liefern. Das Wetter hat uns seit Februar festgehalten. Ihre Flotte ankerte fast einen Monat abreisebereit in Honfleur. Sie sind mehrmals losgesegelt und von den Stürmen wieder an Land geworfen worden. Nur an einem Tag kamen für mich günstige Winde auf. Wie von Zauberhand konnten wir ablegen und bis nach Yorkshire segeln, Liebste. Das gibt mir wenigstens die Möglichkeit, sie mir nacheinander vorzunehmen und mich nicht einer vereinten Armee unter der Befehlsgewalt der beiden stellen zu müssen.»
Bei der Erwähnung der Stürme werfe ich meiner Mutter einen kurzen Blick zu, aber sie lächelt unschuldig. «Musst du morgen wirklich schon wieder gehen?»
«Heute Nacht hast du mich ganz für dich, Liebste. Sollen wir die Zeit mit Reden verbringen?»
Wir gehen in mein Zimmer. Die Tür schlägt er mit einemFußtritt zu, dann nimmt er mich in seine Arme, so wie immer.
«Ins Bett, Frau», sagt er.
Er nimmt mich wie immer mit Leidenschaft, wie ein durstiger Mann trinkt. Und doch ist er heute Abend, dieses eine Mal, anders. Der Geruch seiner Haare und seiner Haut ist derselbe, und das reicht mir, um mich nach seiner Berührung gieren zu lassen, aber nachdem er mich genommen hat, hält er mich eng in seinen Armen, als sei ihm der Genuss heute nicht genug. Es ist, als wollte er mehr.
«Edward», murmele ich. «Geht es dir gut?»
Er antwortet nicht, sondern vergräbt den Kopf in meiner Armbeuge, als wollte er die Welt aussperren.
«Liebste, ich hatte Angst», sagt er so leise, dass ich ihn kaum verstehe. «Große Angst.»
«Wovor?» Eine dumme Frage. Er musste um sein Leben fliehen und im Exil eine Armee aufstellen. Er sieht sich mit der mächtigsten Armee der Christenheit konfrontiert.
Er dreht sich um und legt sich auf den Rücken. Sein Arm umschlingt mich noch immer eng, und ich schmiege mich an seine Seite.
«Als sie sagten, Warwick sei hinter mir her und George sei bei ihm, wusste ich, dass er mich diesmal nicht gefangen nehmen würde. Diesmal wäre es mein sicherer Tod gewesen. Ich bin nie davon ausgegangen, dass jemand mich töten könnte, aber da wurde mir klar, dass Warwick es tun würde und George ihn gewähren ließe.»
«Aber du bist davongekommen.»
«Ich bin gerannt», berichtet er. «Das war kein umsichtigerRückzug, Liebste, kein Manöver. Nur Wegrennen. Ich bin in Lebensangst davongelaufen, nur zu deutlich habe ich gespürt, was für ein Feigling ich war. Ich bin weggelaufen und habe dich im Stich gelassen.»
«Vor dem Feind davonzulaufen hat nichts mit Feigheit zu tun», widerspreche ich. «Außerdem bist du zurückgekommen, um sie herauszufordern.»
«Ich bin weggelaufen und habe es dir und den Mädchen überlassen, euch zu stellen», sagt er. «Wie erbärmlich. Ich bin nicht zu dir nach London gerannt. Ich bin nicht hergekommen, um euch zu beschützen. Ich bin zum nächsten Hafen gerannt und habe das erstbeste Boot genommen.»
«Das hätte jeder getan. Ich mache dir keine Vorwürfe.» Ich stütze mich auf den Ellenbogen und sehe ihm ins Gesicht. «Du musstest weggehen, um eine Armee zusammenzustellen und uns zu retten. Jeder wusste das. Unsere beiden Brüder haben dich begleitet, weil sie es auch für richtig hielten.»
«Ich weiß nicht, wie es ihnen ergangen ist, als sie wie Hasen geflüchtet sind, aber ich weiß, wie ich mich gefühlt habe. Ich hatte Angst wie ein Kind, dem der Schwarze Mann auf den Fersen ist.»
Ich schweige. Ich weiß nicht, wie ich ihn trösten, was ich sagen soll.
Er seufzt. «Seit meiner Kindheit habe ich entweder für mein Königreich oder um mein Leben gekämpft. Und in all der Zeit habe
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