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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Richard den linken Flügel befehligte, konnte Edward sicher sein, dass der linke Flügel halten würde. Wenn Richards Truppen die Nachhut bildeten, wusste er, dass er von hinten keinen Überraschungsangriff zu fürchten hatte. Edward vertraut Richard als Bruder und Vasall und liebt ihn von Herzen – warum kann ich ihn nicht lieben? Was hat der junge Mann an sich, dass ich die Augen zusammenkneifen möchte, wenn ich ihn ansehe – als hätte er einen Makel, den ich übersehe. Aber jetzt ist dieser junge Kerl, noch keine zwanzig Jahre alt, ein Held, wie einer Ballade entsprungen.
    «Wer hätte gedacht, dass der langweilige kleine Richard so leidenschaftlich ist?», frage ich Anthony, der in einer Laube mit Blick auf den Fluss zu meinen Füßen sitzt. Ich bin in Begleitung meiner Ladys und eines halben Dutzends junger Männer von Edwards Hof, die singen, Ball spielen, sich dem Müßiggang hingeben und schäkern. Später wollen sie ein Rennen veranstalten, und ich flechte Primeln zu einer Krone für den Sieger.
    «Er ist unergründlich», erklärt Anthony, woraufhin mein sechzehnjähriger Sohn Richard Grey sich vor Lachen fast verschluckt.
    «Schsch», sage ich zu ihm. «Bezeug deinem Onkel bitte ein wenig mehr Respekt. Und reich mir ein paar Blätter.»
    «Unergründlich und leidenschaftlich», fährt Anthony fort. «Dabei haben wir immer gedacht, er wäre nur langweilig. Erstaunlich.»
    «Ja, er ist wirklich leidenschaftlich», bemerkt meinSohn. «Man unterschätzt ihn leicht, weil er nicht vornehm und laut ist wie die anderen Brüder.»
    Mein Sohn Thomas Grey nickt. «Das stimmt.»
    Ob der angedeuteten Kritik am König zieht Anthony eine Augenbraue hoch.
    «Geht und sagt den anderen, sie sollen sich zum Rennen fertig machen», sage ich und schicke sie weg.
    Der Hof ist wie gelähmt über die Geschichte der armen kleinen Anne Neville, der jugendlichen Witwe des jungen Prinzen Edward von Lancaster. Nach der Schlacht von Tewkesbury haben wir sie in unserer Siegesparade mit nach London gebracht, und George of Clarence hat sofort ein Auge auf das Mädchen und ihr Vermögen geworfen, als Mittel und Möglichkeit, sich das große Vermögen der Warwicks anzueignen. Die Mutter der kleinen Neville, die arme Countess of Warwick, hat sich verzweifelt in die Abtei von Beaulieu zurückgezogen, und George plante, alles an sich zu reißen. Die Hälfte des Vermögens der Warwicks befand sich durch seine Ehe mit Isabel Neville schon in seinem Besitz, und dann nahm er mit viel Getue ihre jüngere Schwester unter seine Obhut. Er bezeugte der kleinen Anne Neville sein Beileid über den Tod ihres Vaters und die Abwesenheit ihrer Mutter und gratulierte ihr zu ihrer Flucht aus der albtraumhaften Ehe mit dem kleinen Monster, Prinz Edward. Er wollte sie in seinem Haus bei seiner Frau, ihrer Schwester, abschirmen, um ihr Vermögen in seinen klebrigen Fingern zu halten.
    «Das war sehr galant», sagt Anthony, um mich zu ärgern.
    «Es war eine einmalige Gelegenheit, und ich wünschte, ich hätte sie zuerst gesehen», erwidere ich.
    Anne – eine Bauernfigur in dem Spiel ihres Vaters um die Macht, Witwe eines Monsters, Tochter eines Verräters– war erst fünfzehn, als sie in das Haus ihrer Schwester und deren Gatten George, Duke of Clarence, kam. Sie wusste so wenig wie meine jungen Kätzchen, wie sie im Königreich ihrer Feinde überleben sollte. Sie hatte wohl gedacht, George sei ihr Retter.
    Doch nicht lange.
    Niemand weiß genau, was geschehen ist, doch Georges schöner Plan, beide Nevilles zu besitzen und sich ihr gewaltiges Vermögen unter den Nagel zu reißen, ging nicht auf. Einige sagen, Richard habe Anne – die Gefährtin seiner Kindertage – wiedergetroffen, als er in Georges prächtigem Haus zu Besuch war. Sie hätten sich ineinander verliebt und er habe sie wie ein Ritter in einem Märchen aus einem Haus gerettet, in dem sie quasi eine Gefangene war. Man erzählt sich, George habe sie als Küchenmagd verkleidet, um sie von seinem Bruder fernzuhalten. Man erzählt sich auch, er habe sie in ihrem Zimmer eingeschlossen. Doch wahre Liebe trug den Sieg davon, und der junge Herzog und die junge, verwitwete Prinzessin fielen einander in die Arme. Diese Version der Geschichte ist auf jeden Fall schrecklich romantisch und wunderbar. Narren jeden Alters ergötzen sich daran.
    «Ich mag diese Geschichte», sagt mein Bruder Anthony. «Ich habe schon überlegt, ein Rondeau darüber zu komponieren.»
    Aber es gibt noch eine zweite Version.

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