Die Königliche (German Edition)
Bitterblue einen Blick zu ihren leeren Fenstern hinüber und versuchte zu begreifen, wie ein Mann, der so oft in dieser Fensternische gesessen hatte, fähig sein konnte, Menschen im Schlaf zu erstechen und einen Mordanschlag auf die Königin zu verüben.
Als Smit mittags immer noch nicht aufgetaucht war, beschloss Bitterblue, selbst nach ihm zu sehen.
Das Hauptquartier der Monsea-Wache lag direkt westlich des großen Schlosshofs, im ersten Stock des Schlosses. Bitterblue rauschte hinein.
»Wo ist Hauptmann Smit?«, fragte sie einen nervösen jungen Mann, der an einem Schreibtisch hinter der Tür saß. Er sah sie mit offenem Mund an, sprang auf und führte sie dann durch eine weitere Tür in ein Schreibzimmer. Unvermittelt stand Bitterblue vor Hauptmann Smit, der sich über einen ausgesprochen aufgeräumten Schreibtisch beugte und mit Thiel unterhielt.
Beide Männer erhoben sich hastig. »Verzeihung, Königin«, sagte Thiel verlegen. »Ich wollte gerade gehen.« Und er verschwand aus dem Zimmer, bevor Bitterblue sich auch nur darüber klar werden konnte, wie sie es fand, ihn hier angetroffen zu haben.
»Ich hoffe, er mischt sich nicht ein«, sagte sie zu Smit. »Er ist nicht mehr mein Ratgeber. Daher hat er nicht die Befugnis, Ihnen irgendwelche Anweisungen zu geben, Hauptmann Smit.«
»Im Gegenteil, Königin«, erwiderte Hauptmann Smit mit einer ordentlichen Verbeugung. »Er hat sich weder eingemischt noch etwas befohlen, sondern mir nur ein paar Fragen darüber beantwortet, wie Runnemood seine Zeit verbracht hat. Oder besser gesagt, er hat versucht sie zu beantworten, Königin. Mein Problem ist, dass Runnemood ausgesprochen geheimnistuerisch war und widersprüchliche Erklärungen darüber abgab, wo er hinging.«
»Verstehe«, sagte Bitterblue. »Und weshalb haben Sie mir heute Morgen nicht Bericht erstattet?«
»Was?«, fragte Hauptmann Smit und warf einen Blick auf die Uhr, die auf seinem Schreibtisch stand; dann erschreckte er sie damit, dass er mit der Faust auf die Tischplatte schlug. »Es tut mir furchtbar leid, Königin«, sagte er verärgert. »Meine Uhr bleibt immer stehen. Ich habe auch wenig zu berichten, aber das ist natürlich keine Entschuldigung. Wir sind bei der Suche nach Runnemood nicht weitergekommen und es ist mir auch nicht gelungen, irgendetwas über mögliche Verbindungen zwischen ihm und den Personen auf Ihrer Liste in Erfahrung zu bringen. Aber wir haben gerade erst angefangen, Königin. Bitte verlieren Sie nicht die Hoffnung; vielleicht kann ich Ihnen morgen mehr berichten.«
Im großen Schlosshof blieb Bitterblue stehen und funkelte einen vogelförmigen Strauch mit buntem Herbstlaub an. Sie ballte ihre gesunde Hand zu einer festen Faust.
Dann ging sie zum Brunnen hinüber, wo sie sich auf den kalten Rand setzte und versuchte herauszufinden, weshalb sie so frustriert war.
Es liegt wahrscheinlich zum Teil daran, dass ich die Königin bin , dachte sie . Und zum Teil daran, dass ich verletzt bin, und zum Teil daran, dass Saf nichts mit mir zu tun haben will, und zum Teil daran, dass alle ständig wissen, wo und wer ich bin: Alle Leute rennen herum und versuchen irgendetwas herauszufinden, und ich muss dasitzen und warten, bis sie irgendwann zurückkommen und mir Bericht erstatten. Ich sitze hier fest, während alle anderen Abenteuer erleben.
Das gefällt mir nicht.
»Königin?«
Sie blickte auf und sah Giddon vor ihr aufragen. Auf seinem Haar und seinem Mantel schmolzen Schneeflocken. »Giddon! Bo hat gerade heute Morgen gesagt, dass Sie bald zurückkommen müssten. Ich freue mich so, Sie zu sehen.«
»Königin«, sagte er ernst und fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare. »Was ist mit Ihrem Arm passiert?«
»Ach, das. Runnemood hat versucht mich umzubringen«, sagte sie.
Er starrte sie erstaunt an. »Runnemood, Ihr Ratgeber?«
»Hier ist eine Menge passiert, Giddon«, sagte sie lächelnd. »Mein Freund aus der Stadt hat die Krone gestohlen. Bo erfindet eine Flugmaschine. Ich habe Thiel gekündigt und entdeckt, dass die Stickereien meiner Mutter lauter verschlüsselte Nachrichten sind.«
»Ich war doch gerade mal drei Wochen weg!«
»Bo war krank, wissen Sie.«
»Das tut mir leid zu hören«, sagte er vollkommen ausdruckslos.
»Seien Sie kein Esel. Es ging ihm wirklich sehr schlecht.«
»Oh?« Jetzt sah Giddon verlegen aus. »Was meinen Sie damit, Königin?«
»Was meinen Sie, was ich damit meine?«
»Ich meine, ist alles in Ordnung mit ihm?«
»Es geht ihm
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