Die Königliche (German Edition)
schon etwas besser.«
»Ist er … er schwebt doch nicht in Lebensgefahr, oder, Königin?«
»Er wird wieder gesund, Giddon«, sagte sie, erleichtert, den Anflug von Angst in seiner Stimme wahrzunehmen. »Ich habe hier eine Liste mit Namen für Sie. Wohin gehen Sie als Erstes? Ich begleite Sie.«
Giddon hatte Hunger. Bitterblue zitterte von der kalten Luft und der Feuchtigkeit am Brunnen und wollte etwas über Pipers Tunnel und Estill hören. Und so lud er sie ein, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten. Als sie einwilligte, führte er sie durch die östliche Vorhalle in einen belebten Flur.
»Wo gehen wir hin?«, fragte sie.
»Ich dachte, wir gehen in die Küche«, sagte Giddon. »Kennen Sie Ihre Küche, Königin? Sie grenzt an den südöstlichen Garten.«
»Schon wieder geben Sie mir eine Führung durch mein eigenes Schloss«, sagte Bitterblue trocken.
»Der Rat hat Kontakte dort, Königin. Ich hoffe, Bo stößt auch zu uns. Ist Ihnen so kalt, wie Sie aussehen?«, fragte er.
Sie sah, was er sah: einen Mann, der sich ihnen mit einem bunten Stapel Decken im Arm näherte. »Oh, ja«, sagte sie. »Wir fangen ihn ab, Giddon.«
Kurz darauf half Giddon ihr, eine moosgrün-goldene Decke über ihren verletzten Arm und ihr Schwert zu drapieren. »Sehr hübsch«, sagte er. »Diese Farbe erinnert mich an zu Hause.«
»Königin«, sagte eine Frau, die Bitterblue noch nie gesehen hatte und die zwischen Giddon und ihr herumwuselte. Sie war winzig, alt und faltig – sogar noch kleiner als Bitterblue. »Erlauben Sie mir, Königin«, sagte die Frau und nahm die Vorderseite der Decke, die Bitterblue mit ihrer müden rechten Hand festhielt. Die Frau zog eine schlichte Zinnbrosche hervor, raffte beide Seiten der Decke zusammen und steckte sie fest.
»Danke«, sagte Bitterblue erstaunt. »Sie müssen mir sagen, wie Sie heißen, damit ich Ihnen die Brosche wiedergeben kann.«
»Ich heiße Devra, Königin, und ich arbeite für den Schuster.«
»Den Schuster!« Bitterblue betastete die Brosche, während der Verkehr im Flur sie und Giddon weiterspülte. »Ich wusste gar nicht, dass es hier einen Schuster gibt«, sagte sie laut zu sich selbst und warf dann Giddon seufzend einen Seitenblick zu. Die Decke schleifte hinter ihr her wie die Schleppe eines edlen, teuren Umhangs, wodurch sie sich eigenartigerweise sehr wie eine Königin fühlte.
Bitterblue hatte noch nie so viel Getöse gehört oder so viele Menschen in einer solch wahnwitzigen Geschwindigkeit arbeiten sehen wie in der Küche. Sie war überrascht zu entdecken, dass es dort einen Beschenkten mit ziemlich wildem Blick gab, der vom Aussehen und insbesondere vom Geruch einer Person darauf schließen konnte, was derjenige in diesem Moment am liebsten essen würde. »Manchmal ist es schön, wenn einem gesagt wird, was man will«, sagte sie zu Giddon, während sie den Dampf einatmete, der aus ihrer Tasse mit heißer Schokolade aufstieg.
Als Bo eintraf und mit zusammengepressten Lippen und verschränkten Armen misstrauisch vor Giddon stehen blieb, sah Bitterblue ihn mit Giddons Augen und bemerkte, dass Bo abgenommen hatte. Nachdem sie sich einen Moment gegenseitig gemustert hatten, sagte Giddon zu ihm: »Du brauchst etwas zu essen. Setz dich und lass dich von Jass beschnuppern.«
»Er macht mich nervös«, sagte Bo, nahm aber gehorsam Platz. »Ich mache mir Sorgen, wie viel er erspüren kann.«
»Was für eine Ironie!«, sagte Giddon trocken über einem Löffel Bohneneintopf mit Speck. »Du siehst furchtbar aus. Hast du wieder Appetit?«
»Ich bin am Verhungern.«
»Ist dir kalt?«
»Warum? Damit du mir deinen durchweichten Mantel leihen kannst?«, fragte Bo und rümpfte die Nase. »Hör auf, dich zu benehmen, als hätte mein letztes Stündlein geschlagen. Mir geht’s gut. Warum trägt Bitterblue einen Umhang aus einer Decke? Was hast du mit ihr gemacht?«
»Ich mochte dich schon immer lieber, wenn Katsa dabei ist«, sagte Giddon. »Sie behandelt mich so mies, dass du im Vergleich dazu richtig liebenswürdig wirkst.«
Bo verzog den Mund. »Du provozierst sie doch absichtlich.«
»Sie lässt sich auch leicht provozieren«, sagte Giddon und schob Bo ein Brett mit Brot und Käse zu. »Manchmal reicht es schon, wie ich atme. So«, sagte er dann abrupt, »wir haben ein paar Probleme und ich werde sie offen ansprechen. Das Volk von Estill ist zum Umsturz entschlossen. Aber es ist genau, wie Katsa gesagt hat: Sie haben keine Pläne, die über die Entthronung Thigpens
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