Die Königliche (German Edition)
rieb sich den Kopf. »Ich war dabei, Thiel.«
»Ist alles in Ordnung, Königin? Sie scheinen ein wenig … gereizt.«
»Sie ist müde«, verkündete Runnemood, der mit verschränkten Armen in einer Fensternische saß. »Ihre Majestät hat die Unabhängigkeitsanträge, Gerichtsurteile und Berichte satt. Wenn sie einen Stadtplan möchte, soll sie ihn bekommen.«
Es ärgerte Bitterblue, dass Runnemood sie verstand. »Ich möchte in Zukunft mehr Mitspracherecht, wo meine Inspektionstouren hinführen«, sagte sie scharf.
»So soll es sein«, erwiderte Runnemood mit großer Geste. Ehrlich gesagt wusste Bitterblue nicht, wie Thiel es mit ihm aushielt. Thiel war so einfach und Runnemood so affektiert, trotzdem arbeiteten sie perfekt zusammen und bildeten immer sofort eine geschlossene Front, sobald Bitterblue die Linie überschritt, deren genaue Position nur die beiden kannten. Sie beschloss nichts weiter zu sagen, bis der Stadtplan eintraf, damit man ihr die astronomischen Dimensionen ihres Ärgers nicht anmerkte.
Als er dann kam, waren außerdem der königliche Bibliothekar und Holt, ein Mitglied der königlichen Wache, dabei, da der Bibliothekar so viel mehr lieferte als das, worum sie gebeten hatte, dass er es nicht ohne Holts Hilfe die Treppe herauftragen konnte. »Königin«, sagte der Bibliothekar. »Nachdem die Anfrage Ihrer Majestät leider sehr ungenau war, hielt ich es für das Beste, Ihnen eine Auswahl an Karten zu liefern, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine davon Ihren Gefallen findet. Es ist mein inbrünstiger Wunsch, an meine Arbeit zurückkehren zu können, ohne ständig von Ihren Helfershelfern unterbrochen zu werden.«
Bitterblues Bibliothekar war ein Beschenkter mit der Fähigkeit, unwahrscheinlich schnell zu lesen und sich für immer an jedes Wort zu erinnern – das behauptete er zumindest und er schien diese Gabe auch wirklich zu besitzen. Bitterblue fragte sich allerdings manchmal, ob er nicht auch mit Abscheulichkeit beschenkt war. Er hieß Todd und Bitterblue sprach seinen Namen gelegentlich gerne aus Versehen so aus, als würde er nur mit einem d geschrieben.
»Wenn das dann alles wäre, Königin«, sagte Todd und warf eine Armladung Papierrollen auf den Rand ihres Schreibtischs, »würde ich gerne wieder gehen.«
Die Hälfte der Rollen kullerte hinunter und landete mit einem hohlen Geräusch auf dem Boden. »Also wirklich«, sagte Thiel verärgert, während er sich bückte, um sie aufzuheben, »ich hatte Darby deutlich gesagt, dass wir einen einzelnen aktuellen Stadtplan wünschen. Nehmen Sie die wieder mit, Todd, sie sind überflüssig.«
»Alle Landkarten aus Papier sind aktuell«, sagte Todd und schnaubte, »wenn man die Dimensionen der geologischen Zeit in Betracht zieht.«
»Ihre Majestät möchte einfach die Stadt so sehen, wie sie heute ist«, sagte Thiel.
»Eine Stadt ist ein lebendiger Organismus, der sich ständig verändert …«
»Ihre Majestät wünscht …«
»Ich wünschte, Sie würden alle verschwinden«, sagte Bitterblue verzweifelt, mehr zu sich selbst als zu irgendjemand anderem. Die beiden Männer stritten weiter. Runnemood fiel ein. Und dann legte Holt, der königliche Wachmann, die Landkarten auf ihren Schreibtisch, ganz sorgfältig, damit sie nicht herunterfielen, lud sich Thiel auf eine Schulter und Todd auf die andere und stand so beladen da. Inmitten des verblüfften Schweigens, das folgte, ging Holt schwerfällig auf Runnemood zu, der verstehend schnaubte und von selbst das Zimmer verließ. Dann trug Holt seine empörte Last auf beiden Schultern hinaus, gerade als die Männer ihre Stimmen wiederfanden. Bitterblue konnte hören, wie sie auf dem ganzen Weg die Treppe hinunter ihre Entrüstung herausschrien.
Holt war ein Wachmann Mitte vierzig mit wunderschönen Augen in Grau und Silber, ein großer, breiter Mann mit einem freundlichen, offenen Gesicht und der Gabe der Stärke.
»Das war ja merkwürdig«, dachte Bitterblue laut. Aber es war schön, allein zu sein. Sie öffnete willkürlich eine der Rollen und sah, dass es sich um eine astronomische Karte der Sternbilder über der Stadt handelte. Sie verfluchte Todd und schob sie zur Seite. Die nächste war ein Plan des Schlosses vor Lecks Renovierungen, als es noch vier statt sieben Schlosshöfe gehabt hatte und die Dächer ihres Turms, der Innenhöfe und der oberen Gänge nicht aus Glas gewesen waren. Die nächste war erstaunlicherweise wirklich ein Stadtplan, aber eine seltsame Karte, auf
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