Die Königliche (German Edition)
unvermittelt und blutig, denn kaum hatten zwei Gruppen aus Männern angefangen, sich gegenseitig zu schubsen und anzurempeln, stießen schon aufblitzende Messer zu. Bitterblue rannte weiter. Obwohl sie sich dafür schämte, wollte sie nicht sehen, wie es ausging. Katsa und Bo hätten die Männer trennen können. Bitterblue in ihrer Rolle als Königin hätte das auch tun sollen, aber in diesem Moment war sie nicht die Königin und es wäre verrückt gewesen, es zu versuchen.
In dieser Nacht wurde die Geschichte unter der Monster Bridge von einer winzigen Frau mit riesiger Stimme erzählt, die stocksteif auf dem Tresen stand und ihre Röcke umklammerte. Sie war keine Beschenkte, aber Bitterblue war trotzdem fasziniert und hatte das nagende Gefühl, dass sie diese Geschichte schon mal irgendwo gehört hatte. Die Erzählung handelte von einem Mann, der in eine kochend heiße Quelle in den östlichen Bergen gestürzt war und von einem riesigen goldenen Fisch gerettet wurde. Es war eine dramatische Geschichte, in der ein eigenartig gefärbtes Tier vorkam, genau wie in den Legenden, die Leck immer erzählt hatte. Kannte sie die Geschichte daher? Hatte Leck sie ihr erzählt? Oder hatte sie sie als Kind in einem Buch gelesen? Wenn sie sie in einem Buch gelesen hatte, war es dann eine wahre Geschichte? Wenn Leck sie erzählt hatte, war sie dann erfunden? Wie sollte man das acht Jahre später auseinanderhalten können?
Ein Mann am Tresen schlug einem anderen Mann seinen Becher über den Kopf. Während Bitterblue noch ihre Überraschung zu verdauen versuchte, war bereits eine Schlägerei im Gange. Bitterblue sah verwundert zu, wie der ganze Raum sich davon anstecken ließ. Die kleine Frau auf dem Tresen nutzte den Vorteil ihrer erhöhten Position, um ein paar beachtliche Tritte auszuteilen.
Am Rande der Schlägerei, wo eine zivilisierte Minderheit versuchte, sich herauszuhalten, stieß jemand gegen einen braunhaarigen Mann, der daraufhin seinen Apfelmost über Bitterblue verschüttete.
»Oh, Rattenscheiße. Hör zu, Junge, tut mir furchtbar leid«, sagte der Braunhaarige, nahm ein fragwürdiges Stück Tuch von einem Tisch und begann zu Bitterblues Schrecken, sie damit abzutupfen. Sie erkannte ihn wieder. Es war der Gefährte des violettäugigen beschenkten Diebes aus der vorigen Nacht, den sie jetzt hinter dem braunhaarigen Mann, wo er sich begeistert ins Getümmel stürzte, ebenfalls erspähte.
»Ihr Freund«, sagte Bitterblue und schob die Hand des Braunhaarigen weg. »Sie sollten Ihrem Freund helfen.«
Entschlossen tupfte er erneut mit dem Handtuch auf ihr herum. »Ich gehe davon aus, dass er sich köstlich … amüsiert«, sagte er, wobei er den Satz mit einem erstaunten Unterton beendete, als er ein Stück Zopf unter Bitterblues Kapuze entdeckte. Sein Blick senkte sich auf ihre Brust, wo er offensichtlich genug Beweise fand, um sich über die Situation klar zu werden.
»Bei allen Flüssen«, sagte er und riss seine Hand zurück. Zum ersten Mal sah er sich ihr Gesicht genau an, wenn auch ohne großen Erfolg, weil Bitterblue ihre Kapuze noch tiefer zog. »Verzeihen Sie mir, Miss. Ist alles in Ordnung?«
»Mir geht es blendend. Lassen Sie mich vorbei.«
Der Beschenkte und der Mann, der versuchte, den Beschenkten zu töten, knallten von hinten gegen den Braunhaarigen und drückten ihn dadurch noch dichter an Bitterblue. Er war ein nett aussehender Mann mit einem schiefen Gesicht und freundlichen haselnussbraunen Augen. »Erlauben Sie meinem Freund und mir, Sie sicher hier hinauszugeleiten, Miss«, sagte er.
»Sie brauchen mich nicht zu begleiten. Sie sollen mich nur vorbeilassen.«
»Es ist schon nach Mitternacht und Sie sind klein.«
»Zu klein, als dass sich irgendjemand mit mir abgeben würde.«
»Wenn es in Bitterblue City nur so wäre. Lassen Sie mich nur eben meinen etwas zu begeisterten Freund einsammeln«, sagte er, als er erneut von hinten angerempelt wurde, »und dann bringen wir Sie nach Hause. Ich heiße übrigens Teddy. Er heißt Saf und ist in Wirklichkeit nicht so ein Trottel, wie es im Moment scheint.«
Teddy drehte sich um und stürzte sich heldenhaft in die Auseinandersetzung, woraufhin Bitterblue an der Wand entlang zum Ausgang hastete und flüchtete. Draußen rannte sie los, mit beiden Händen ihre Messer umklammernd. Sie nahm eine Abkürzung über einen Friedhof und huschte in eine Gasse, die so schmal war, dass ihre Schultern die Mauern zu beiden Seiten berührten.
Im Kopf versuchte sie
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