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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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sie.
    »Doch«, bekräftigte Tom nun ausnahmsweise. »Wir waren in der Luft.«
    Den Rest des Tages fuhren wir am Pazifik umher. Wir kurvten hinauf in den Pacific Palisades Park, von dem aus man die Klippen von Santa Monica und den dunkelblau bewegten Ozean überblickte. Und wir gingen noch einmal auf den Pier. Abseits des Vergnügungsparks auf dem langen Steg, der weit hinaus ins Wasser führte, war es fast still. An der Balustrade lehnten lange Reihen geparkter Mietfahrräder mit rot-wei ßen Sätteln und Weißwandreifen. Die Möwen torkelten uns träge entgegen, saßen auf den weißen Betonpapierkörben herum und suchten Reste von Hotdogs, Popcorn und Zuckerwatte. Einige liefen mit herabhängenden weißen Zuckerfäden im Schnabel über die Bohlen des Piers.
    Wir gingen bis zum äußersten Ende des Piers, zu dem kleinen Häuschen mit seiner Funkantenne auf dem Dach und dem Beladekran.
    In der Ferne kletterten still die gelben und blauen Gondeln des Riesenrads in die Höhe, jede überwölbt von einem kleinen Schirmchen. Ein eigenartiger Friede herrschte hier draußen. Es lief wieder Musik, aber der frühlingshafte Wind schien sie landeinwärts zu wehen, wie um uns mit den Geräuschen der See allein zu lassen. Wir blieben so lange, bis am Riesenrad und an den alten Karussells die Lampen zu brennen begannen, und dann noch länger, bis die gebogenen Laternen am Pier angingen.
    Als ich zum Flughafen aufbrechen wollte, hatte Tom plötzlich eine Schachtel in der Hand. Eine quadratische Schachtel, die er in beiden Händen hielt und mir überreichte.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    Die graue Verpackung war mit Kreppband überklebt, so dass ich keine Aufschrift lesen konnte. Ich machte sie auf, entfernte ein Styroporstück, und darunter kam ein Radio zum Vorschein – eine rote Box mit einer großen Skala und einem Plastikdrehknopf für die Sendersuche. Auf dem Radio stand: »High Sensitivity 5 Band AM/FM/SW World Receiver.«
    Ich war überrascht und gerührt: »Danke Tom.«
    »Du weißt ja, wie es funktioniert.«
    Ich legte die Batterien ein, die in einer Tüte dabeilagen, schaltete das Radio an und suchte im UKW-Band herum. Auf den meisten Frequenzen hörte ich nur Stimmen, die über Politik redeten, unterbrochen von der ein oder anderen Rocknummer. Tom schnappte sich das Radio, zog die Antenne zu voller Länge aus und schaltete auf Langwelle. Der Klang war sofort ein anderer, ein vielstimmiges Rauschen und Wispern. Zahlreiche Signale wurden erfasst und gingen sofort wieder verloren. Stimmen erhoben sich, sagten ein paar Worte und fielen in das Rauschen zurück, aus dem sie gekommen waren. Ein paar Mal hörten wir vertraute Lieder.
    »Stopp«, rief Claire plötzlich.
    Tom und ich betrachteten sie erstaunt. Aus dem Radio kam ein einfaches Lied, eine volkstümliche Weise mit einer slawischen Melodie.
    »Ist das Russisch oder so was?«, fragte ich.
    »Das ist aus Bulgarien«, sagte Claire und hörte aufmerksam zu. »Meinst du das Signal kommt aus Europa?«, wandte sie sich an Tom.
    »Kann schon sein.«
    »Vielleicht sind wir die entferntesten Hörer, die das gerade empfangen«, sagte sie feierlich.
    Tom drehte den Ton etwas lauter und versuchte, das Signal noch besser hereinzubekommen. Er schwenkte die Antenne, wobei das Lied sofort verschwand und das Rauschen krachend laut wurde.
    »Oh nein«, riefen wir alle.
    Vorsichtig brachte er die Antenne wieder in die ursprüngliche Position, und das kleine Lied kehrte zurück.
    Claire sprang auf, machte ein paar Schritte rückwärts über die hölzernen Bohlen, dann gab sie uns ein Handzeichen. Tom verstand nicht gleich, aber ich stand auf und nahm ihre ausgestreckte Hand. Claire zeigte mir ein paar Tanzschritte. Das heißt, sie begann einfach zu tanzen, mit hoppelnden Schritten, die uns mal in die eine, mal in die andere Richtung führten. Ich vermute, es war ein bulgarischer Volkstanz, den ihre Eltern ihr gezeigt hatten. Ich hielt einfach Schritt, das Lied war nicht sehr schnell, und versuchte mich nicht zu verheddern, während sie die korrekten Schritte ausführte und meine Hand hielt. Es machte Spaß, ihre Hand zu halten, und ich umfasste nun auch ihre Hüfte fester, ein paar Mal gelang mir zufällig eine Schrittfolge, die zu ihrer passte. So bewegten wir uns hin und her über den Platz, in einer bäuerlichen Tapsigkeit, die vielleicht ein richtiger Tanz war, vielleicht auch nicht.
    Als das Lied zu Ende war, klatschte Tom Beifall. Claire ließ meine Hand los und forderte ihn auf,

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