Die Kommissarin und der Tote im Fjord
das?«
»Das ist Sveinung Adelers Bericht über die Firma MacFarrell Ltd.«
Steffen blinzelte. Er betrachtete den Bericht und blinzelte erneut.
Lena wurde durch kleine Knusperlaute wieder in die Realität zurückgeholt. Ingrid Kobro hatte sich von einem Teller auf dem Tisch einen Pfefferkuchen genommen.
Ein Geräusch vom Bildschirm übertönte das Knuspern. Es war Steffen, der nach dem Stapel Papier griff und ihn dann wieder auf den Tisch legte.
»Sie wollten wissen, warum ich den Drohbrief geschrieben habe. Also. Sveinung Adeler schwamm im Wasser. Er war tot, da gab es keinen Zweifel. Es hatte also keinen Sinn mehr, einen Artikel über den vorherigen Abend zu schreiben. Ich brauchte einen anderen Ansatz.«
»Ansatz wofür?«
»Für meine Story. Darüber, wie eine norwegische Politikerin ihre Macht und ihren Einfluss missbraucht, um die Neutralität des Ethikrates zu untergraben. Und Sveinung Adeler war schließlich in der Nacht bei dieser Frau gewesen. Der Sinn der Sache war, dass der Drohbrief Lisbet Enderuds Namen mit Aud Helen Vestgård in Zusammenhang brachte. Wenn ich diese Geschichte zuerst veröffentlichte, dann konnte ich danach damit weitermachen, das Treffen aufzudecken und dann die anderen Dinge – nach und nach. Ganz einfach journalistische Taktik. Erst die Verbindung zwischen Lisbet Enderud und Adeler herstellen und dann die Fotos von Adeler, Vestgård und Shamoun veröffentlichen.«
»Ich fasse es nicht«, sagte Ingrid Kobro und nahm sich einen weiteren Pfefferkuchen vom Teller. »Das ist aber wirklich ein kalter Fisch. Ein Mörder, der sich einfach seine eigenen Nachrichten bastelt.«
Lena streckte die Hand nach der Kaffeetasse aus. Aber ihre Hand zitterte. Sie ließ die Tasse stehen.
»Sie haben sich also vor Lisbet Enderuds Haus gestellt«, sagte Gunnarstranda. »Als mein Kollege Fartein Rise ankam, haben Sie ihn gebeten, die Frau nicht wegen des Drohbriefes zu verhören. Warum?«
Steffen hob beide Hände in die Luft. »Ich hatte ein wenig nachgedacht. Der Drohbrief war eine übereilte Lösung gewesen. Ein tollpatschiger Versuch. Ich war nicht klar im Kopf. Erstens konnte ich nicht sicher sein, ob die Sache mit dem Drohbrief überhaupt veröffentlicht oder der Presse mitgeteilt würde. Und wenn, dann konnte die Geschichte immer noch eine ganz andere Wendung nehmen als die, die ich mir wünschte.«
»Sie hatten also einen besseren Ansatz gefunden?«
»So könnte man sagen, ja.«
»Und welchen?«
»Ich hatte Lena Stigersand kennen gelernt.«
Ingrid Kobro und Lena wechselten einen Blick.
»Wie hatten Sie sie so schnell kennen gelernt?«
»Im Grunde zufällig. Ich habe sie getroffen, als sie aus Adelers Wohnung kam. Und habe sie angesprochen. Sie war ein guter Typ, wir haben uns verstanden, und sie schien irgendwie Interesse an mir zu haben.«
Gunnarstranda setzte sich gerade hin. »Gjerstad, Sie werden wegen Mordes angeklagt.«
»Ich war das nicht«, sagte Steffen zum wiederholten Mal.
»Ich glaube, Sie haben Adeler aus Eigennutz getötet, weil er an dem Morgen, als Sie mit ihm auf dem Kai standen, gesagt hat, er hätte den Bericht über MacFarrell schon abgeschickt. Damit hatten Sie nicht gerechnet. Da er seinen Bericht schon geschrieben hatte, war Ihr geplanter Artikel nichts mehr wert. Abgesehen davon, dass Ihnen die Sensationsnachricht verloren ging, hätten Sie auch noch den lukrativen Job verloren, den Råholt Ihnen angeboten hatte. Ich glaube deshalb, dass Sie Sveinung Adeler umgebracht haben, um ihn zum Schweigen zu bringen. Wenn Adeler tot war, dann konnten Sie die Story trotzdem bringen. Wenn er tot war, konnte er weder irgendetwas dementieren noch Beweise gegen den Inhalt ihres Artikels liefern – nämlich dass er von einer der Konfliktparteien gekauft und bezahlt worden sei. So konnten Sie Ihren Auftrag für Råholt trotzdem ausführenund die Bezahlung einheimsen, die Ihnen versprochen worden war.
Sie haben zugegeben, dabei gewesen zu sein, als Sveinung Adeler getötet wurde. Die Augenzeugin Nina Stenshagen wurde kurz darauf von Ihrem Freund Stian Rømer erschossen. Diese Augenzeugin hatte die Nacht zusammen mit einem anderen Augenzeugen auf dem Rathauskai verbracht – mit Stig Eriksen. Beide wurden erschossen – mit derselben Waffe. Ich glaube, dass Stig Eriksen sich bei Ihnen gemeldet hat, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass Nina Stenshagen ermordet wurde. Als Stig sich meldete, haben Sie beschlossen, auch ihn aus dem Weg zu räumen. Stian Rømer hat ihn auf
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