Die Komplizin - Roman
hart?«
»Eine gewisse Bitterkeit musst du mir schon zugestehen.«
Ein Hotelangestellter dirigierte uns zu einer provisorischen Bühne am Ende des Saals. Während wir unsere Sachen aufbauten, kam es mir vor, als hätten wir am Vorabend alle einen fürchterlichen Rausch gehabt und Dinge gesagt oder getan, an
die wir uns zum Teil nicht mehr erinnerten oder für die wir uns inzwischen schämten, so dass wir uns nun etwas verkatert und angeschlagen fühlten und einander nicht in die Augen schauen konnten. Nervös waren wir natürlich auch. Es war eine beängstigende Vorstellung, gleich vor einer ganzen Schar von Fremden auftreten zu müssen.
Die Trauungszeremonie schien inzwischen vorüber zu sein, denn allmählich begannen die Hochzeitsgäste einzutrudeln und nach ihren Plätzen an den Tischen Ausschau zu halten. Ich hatte damit gerechnet, dass sie uns neugierig mustern würden, doch wider Erwarten würdigten sie uns kaum eines Blickes. Zum ersten Mal bekam ich einen Eindruck davon, wie es sich anfühlte, zu den unsichtbaren Geistern zu gehören, die einem den Mantel abnahmen, die Speisekarte reichten oder hinter einem herräumten. Schließlich trafen Danielle und Jed ein. Sie sahen aus wie ein Prominentenpaar, von dem man nicht recht wusste, woher man es kannte. Die beiden wurden mit Jubel begrüßt. Während sie von Tisch zu Tisch wanderten und ihre Gäste zur Begrüßung umarmten und küssten, hörte man ständig Handykameras klicken. Dann fiel Danielles Blick auf uns. Sie stieß ein lautes Kreischen aus und kam in ihrem aufwendigen cremefarbenen Kleid, das sich üppig um ihren Körper bauschte, auf uns zugestürmt, ihren Bräutigam im Schlepptau.
»O mein Gott, o mein Gott, o mein Gott!«, rief sie und schlang die Arme um mich. »Was für ein unglaublicher Tag! Vorhin in der Kirche war ich so aufgeregt! Ich hatte richtig Angst, meinen eigenen Namen zu vergessen. Was womöglich auch der Fall war. Ich kann mich nämlich an kein einziges Wort mehr erinnern, das ich gesagt habe. Wahrscheinlich sind wir gar nicht verheiratet. Das ist Jed. Jed, Bonnie. Bonnie, Jed. Sieht er nicht fantastisch aus?«
Jed war groß, hatte einen dichten blonden Haarschopf und trug einen grauen Anzug mit einer wild geblümten Weste. Der
Gesichtsausdruck, mit dem er uns betrachtete, wirkte leicht fassungslos.
»Das ist so klasse von dir, Bonnie«, fuhr Danielle fort, »nach allem, was du durchgemacht hast. Was für eine schreckliche Sache. Ich kann es noch immer nicht fassen. Die Leute hier kennen kein anderes Thema.« Ich nickte nur, weil ich kein Wort herausbrachte. »Nach unserer Rückkehr aus – ähm, ich darf noch nicht verraten, wo wir hinfliegen – müssen wir unbedingt mal in Ruhe reden. Dann führen wir beide ein richtig gutes Gespräch.« Sie hielt inne und musterte uns prüfend. »Wollt ihr das anlassen?«
Wir trugen alle unser Countryoutfit, also so ziemlich das Gleiche, was wir sonst auch anhatten – Jeans und Hemd. Ich hatte ganz unten in einem meiner Kartons sogar noch ein Paar Cowboystiefel gefunden.
»Es passt zur Musik«, erklärte ich.
»Wunderbar.« Sie blickte sich um. »Ist eure Sängerin noch gar nicht da?«
»Sonia schafft es nicht«, antwortete ich.
»O mein Gott!« rief Danielle. »Gibt es irgendein Problem?«
»Sie ist aufgehalten worden. Ein Notfall. Aber wir werden tun, was wir können.«
»Gut, gut.« Danielle klang, als hätte sie eine erste böse Vorahnung, dass an ihrem wunderbaren Tag etwas schieflaufen könnte. »Ich habe dafür gesorgt, dass ihr etwas zu essen bekommt. Wenn ihr euch an Sergio wendet – den süßen Typen mit der violetten Jacke –, wird er sich um euch kümmern. Nach dem Essen stehen erst mal ein paar Reden auf dem Programm. Danach könnt ihr loslegen. Ich freue mich so darauf, euch zu hören und ein bisschen zu tanzen!«
Sergio lotste uns aus dem Hauptraum in eine Art Lagerbereich, wo auf der einen Seite neben einer Reihe großer Kartons ein Picknicktisch aufgestellt war, auf dem ein paar Stückchen Huhn sowie eine Flasche Wein und eine Packung Orangensaft
für uns bereitstanden. Joakim und Neal aßen mit gutem Appetit, während wir anderen nur wortlos an unseren Getränken nippten. Guy trank Orangensaft, aber ich blieb beim Wein. Wenn ich dieser Meute etwas vorsingen sollte, musste ich mir erst ein wenig Mut antrinken.
Die Reden waren perfekt. Jeds bester Freund erzählte Geschichten über Besäufnisse und völlig unmögliche Exfreundinnen. Von draußen drang
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