1574 - Töte mich, dunkler Spiegel
Natürlich durften sie ihre Pläne nicht an die große Glocke hängen. Alles musste geheim und konspirativ bleiben. Keine anderen Menschen einweihen, der kleine Kreis musste unter sich bleiben, und so gingen die Mitglieder der Gruppe auch stets ihren normalen Tagesabläufen nach und fielen in der Nachbarschaft nicht auf.
Ihr Treffpunkt war ebenfalls nicht auffällig. Sie hatten einen alten Schuppen gefunden, der abseits lag, vergessen war und wo sie nicht gestört wurden. Erst recht nicht in der Dunkelheit, denn das war ihre Zeit.
Das Wetter zeigte sich nicht von seiner sommerlichen Seite. Nach der Hitze hatte es sich stark abgekühlt, am Tag ebenso wie in der Nacht.
Deshalb trug Lena auch eine Strickjacke zu Jeans und Oberteil. Sie fuhr mit dem Fahrrad. Da war sie schnell, zudem beweglich und auch von den vielen Überwachungsanlagen nicht so gut zu erfassen. London war die Stadt der Kameras, und doch gab es immer wieder Überfälle und Einbrüche, die nicht geklärt werden konnten.
Sie fuhr durch eine einsame Gegend. Menschen lebten hier keine.
Tagsüber wurde an einigen Bauten gearbeitet. Kleine Firmen hatten sich hier niedergelassen und versuchten sich durchzuschlagen, was mehr oder weniger gut gelang.
Der Schuppen oder die alte Baracke lag am Ende des Geländes. Da, wo sich der breite Grünstreifen befand, hinter dem eine Straße verlief, die zumindest tagsüber stark befahren war.
In der Nacht nicht, und Lena Wilcox war auch froh darüber. Sie wollte nicht unbedingt vom Licht der Scheinwerfer erfasst werden, sie blieb lieber in den Schatten der Nacht.
Der stabile Schuppen war ein Bau mit einem Flachdach. Früher waren in ihm Elektrogräte gelagert worden, manchmal nicht ganz legal. Eine Sondereinheit der Zollfahndung hatte das Lager auffliegen lassen. Seit dieser Zeit stand es offiziell leer, nur traf das nicht mehr zu, denn Lena und ihre vier Freunde hatten den Bau besetzt.
Sie rollte die letzten Meter auf ihn zu. Da sie die Umgebung kannte, hatte sie darauf verzichtet, das Licht einzuschalten, und so rollte sie im Dunkeln auf die rechte Schuppenseite zu, an der sie das Rad abstellte.
Alles war bisher gut gelaufen, und sie hoffte, dass es auch weiterhin so bleiben würde. Als sie sich noch mal umdrehte, sah sie den Mini.
Mit ihm waren Kid Langster und die anderen beiden gekommen. Wie so oft war Lena die Letzte, was ihr nichts ausmachte. Ihre Freunde würden schon warten. Zudem hatte es niemand von ihnen eilig. Ihnen standen die nächsten Stunden der Nacht zur Verfügung.
Lena ging bis zur Eingangstür. Sie hatten dort ein neues Schloss einsetzen lassen, dass nicht so leicht zu knacken war. Mit einem Klopfzeichen machte sie sich bemerkbar.
Wenig später öffnete man ihr. Spärliches Licht drang aus dem Innern über die Schwelle und umgab sie für einen Moment wie ein Mantel.
»Da bist du ja.«
»Zu spät?«
»Nein.«
Lena trat ein. Sie schloss die Tür sofort hinter sich und war am Ziel. Ihre drei Freunde warteten bereits auf sie. Kid Langster hatte ihr geöffnet.
Susan Wild und Percy King saßen am Tisch, winkten ihr lässig zu und tranken ihre Drinks. Zumeist waren es Alkopops, die gut schmeckten, es in der Masse getrunken aber auch in sich hatten.
»Hi.« Lena schob sich den freien Stuhl zu Recht und nahm Platz. »Alles in Ordnung?«
»Bei uns schon«, sagte Susan. »Und bei dir?«
»Alles klar.« Lena fasste nach einer Flasche Mineralwasser, setzte sie an und löschte mit einem kräftigen Schluck ihren ersten Durst. Sie stellte die Flasche wieder auf den Tisch zurück und sagte: »Ich freue mich wirklich.«
Kid Langster nickte. Er fragte trotzdem: »Du hast es dir gut überlegt, Lena?«
»Klar. Ich will es wissen.« Sie schaute in die Runde und sah im Licht der nicht besonders hellen Deckenleuchte die angespannten Gesichter ihren Freunden.
Da war Susan, die etwas pummelige Person mit ihren rot gefärbten Haaren und der schwarzen Kleidung, die sie immer trug. Jedenfalls hatte Lena sie nie anders angezogen gesehen.
Kid Langster, ihr Anführer, war ein hoch gewachsener Typ. Er sah immer etwas düster aus. Das mochte an den langen schwarzen Haaren liegen, die ihm bis auf die Schultern wuchsen. Zum Lachen ging er in den Keller, hieß es bei ihm. Der Blick seiner Augen kam seinen Freunden stets etwas verschlagen vor. Doch das lag an einem Sehfehler.
Percy King war der Kleinste in der Runde. Einer, der immer sehr neugierig war und sich die Haare abrasiert hatte. Dafür trug er stets eine
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