Die Konkubine des Erzbischofs
hat?«
»Nein, dem stimme ich nicht zu. Der heilige Augustinus hatte keine anderen Vorbilder als die der Philosophen, so dass er die Wahrheit im Gewande von deren Lehrgebäude darstellen musste. Seine Autorität reicht auch für das, was wir verstehen sollen. Es bedarf nicht der Nachforschung eines jeden Christen, aufs Neue die Wahrheit zu suchen. Denn die Wahrheit ist nur eine. Wenn sie gefunden ist, braucht niemand mehr nach ihr zu suchen.«
»Stimmt Ihr mir dann zu, dass es, weil einmal die Wahrheit geoffenbart wurde, keine Ketzer und Häretiker gibt, weil jeder das Wort Gottes richtig versteht? Dass wir keine Argumente benötigen, die darlegen, warum sie unrecht haben und wir recht?«
»Ein für allemal: Ich sage Euch, dass die Ketzer des Teufels sind, und die gottgefällige Art, mit ihnen umzugehen, ist, sie in der rechten Weise zu strafen. Es hat gar keinen Zweck, mit ihnen zu disputieren, so wie es überhaupt nie Zweck hat, zu disputieren. Es ist gut vor Gott, die Schrift zu lesen, sie so zu verstehen, wie es ihm gefällt, und sich jeder Zusätze zu enthalten, die nicht von den anerkannten Autoritäten stammen.«
Nun griff der Magister Albertus selbst ein, sichtlich ungehalten: »Es dient vor allem keinem Zweck, mit Pater Bueno zu disputieren, der einen Geist hat wie einen Holzklotz. Es ist unzweifelhaft, dass wir die Vernunft von Gott haben und dass sie gut ist. Es ist unzweifelhaft, dass die Gnade der Offenbarung nicht die Gnade der Vernunft aufhebt, sondern zu ihr hinzutritt. Das ist die Bedingung dafür, dass wir überhaupt disputieren. Wer diese Bedingung bestreitet, ist nicht nur kein Christ, sondern obendrein noch ein Narr.«
Als El Arab mir das erzählte, sagte ich schwach: »Ihr habt mir nicht zuviel versprochen. Das war spannend genug. Aber sagt, hat am Ende Magister Albertus nicht ebenso geredet wie der eifernde Bueno, nämlich ohne jede Begründung?«
»Ein wenig. Es ist sehr schwer, mit Leuten wie Pater Bueno zu disputieren, die den Willen des Herrn bezüglich unseres Vernunftgebrauches so schändlich missachten. Wer die Vernunft nicht liebt, liebt den Herrn nicht, da er die reine Vernunft ist.«
»Ich halte mich lieber an die schlichte Tiefe einer Vision, wie sie uns Gott heute durch den Mund meiner Herrin gegeben hat. Das steht über all den gelehrten Disputationen, in denen so wenig von der Gnade des Lebens steckt.«
»Gern gestehe ich, dass auch ich mich nach der Vereinigung mit Gott im Erleben sehne, das keine Worte hat.«
Wie, als erinnerte ihn das an die fehlende Wärme, schickte El Arab den langsamen Gisbert, um einen neuen Kessel mit heißem Wasser zu bereiten und zu bringen.
Dies also geschah. Und dann nämlich kamen wir zurück auf das Böse, das vorgefallen war. El Arab wärmte sich die klammen Hände, aber der sorgenvolle Ausdruck wich nicht von seinem Gesicht.
»Ich will dich nicht beunruhigen«, sagte er. »Aber auch wage ich es nicht, dir zu verheimlichen, dass es schlecht steht um deinen Bruder Rignaldo. Er wird am Tage, der dem morgigen in einer Woche folgt, vor das Gericht des Erzbischofes gestellt. Gestern, da der Mord entdeckt wurde, hast du selbst Nachforschungen angestellt. Willst du mir sagen, was du herausbekommen hast?«
Seine Frage erboste mich, da sie mir zu unterstellen schien, dass ich unrecht gehandelt habe. Ohne zu bedenken, dass ich ihn mir ja zum Verbündeten in meinem Streben um die Rettung meines Bruders Rignaldo hatte machen wollen, erwehrte ich mich aus gekränkter Ehre, indem ich sagte:
»Herr, ich habe nicht die Absicht gehabt, Nachforschungen anzustellen, was mir gewiss nicht zusteht. Aber Ihr, Ihr habt am Abend das Haus verlassen, was ich gewahrte, da ich der bevorstehenden Niederkunft wegen keinen Schlaf fand. Welcher Grund trieb Euch, Herr, in der Obhut der Nacht aus dem Hause?«
»Gute Gründe, verdammt, lass dir das gesagt sein«, herrschte mich El Arab in einem mir bislang ungewohnt groben Tone an, auf dass ich nicht wagte, weiter gegen ihn das Wort zu erheben. Darum antwortete ich so ehrerbietig wie möglich:
»Die Sorge um meine Brüder trieb mich; ich musste aber entdecken, dass der eine verhaftet und der andere wahnsinnig geworden war.«
»Was hat er zu dir gesagt?« El Arab kehrte zu der gewohnten Umgangsform zurück.
Ich beruhigte mich fürs erste und erzählte wahrheitsgetreu: »Mein erstgeborener Bruder hat offenbar einen Streit mit dem Hufschmiede gehabt, der lange sein liebster Freund gewesen war. Vor Jahresfrist, als mein
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