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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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verkündet werden musste. Die möglicherweise noch größere Bedeutung für die Kreuzzugsgeschichte kommt dem Dokument aufgrund seiner Nachwirkung zu. Die päpstliche Kurie war naturgemäß eine Institution, in der der Blick zurück eine bedeutende Rolle spielte. Wenn es darum ging, eine Entscheidung oder eine Erklärung zu formulieren, suchten die päpstlichen Beamten grundsätzlich nach Präzedenzfällen in der Vergangenheit. In diesem Zusammenhang wurde die Bulle »Quantum praedecessores« zum Fixpunkt des Kreuzzugswesens: Sie enthielt die offizielle Erinnerung an das, was Papst Urban II. im Jahr 1095 wahrscheinlich gepredigt hatte, und bewahrte außerdem bestimmte Vorstellungen über das Wesen des ersten Kreuzzugs auf. Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts definierte die Bulle den Geltungsbereich, die Identität und die Praxis der Kreuzzüge. Spätere Päpste sollten dieses Dokument als Vorlage benutzen, einige übernahmen es sogar unverändert.
    Dabei blieb die Bulle auf eine entscheidende Frage eine klare Antwort schuldig: Welches war das eigentliche Ziel des zweiten Kreuzzugs? Das Schicksal Edessas wurde zwar hervorgehoben, doch es fehlte die explizite Aufforderung, die Stadt zurückzuerobern, und Zangi, der Feind, wurde namentlich nicht genannt. Stattdessen wurden die Kreuzfahrer ermahnt, »die Ostkirche [. . .] zu verteidigen« und »die vielen Tausende unserer [226] gefangenen Brüder« zu befreien, die sich derzeit in der Hand der Muslime befanden. Genaue Angaben fehlten wohl auch deshalb, weil man zu einem strategisch realistischen Ziel in den Jahren 1145 und 1146 tatsächlich keine präzisen Aussagen machen konnte, doch sollte das der gesamten Unternehmung in der Zukunft immer wieder Streitigkeiten wegen Richtung und Zielsetzung bescheren. 3
    Dieses Manko in der Formulierung der Bulle spiegelte zudem ein tieferes Problem in der Beziehung zwischen der Kreuzzugsbewegung und den Kreuzfahrerstaaten wider. Am Ende passte beides auf tragische Weise nicht zusammen. Ein Kreuzzug war eigentlich eine geistliche, auf den einzelnen Menschen bezogene fromme Übung von begrenzter Dauer, durchgeführt von Individuen mit je eigenen Vorstellungen, Absichten und Zielen (darunter nicht zuletzt dem Ziel, als Pilger die heiligen Stätten aufzusuchen). Die fränkischen Niederlassungen im Orient hingegen brauchten, um zu überleben, militärische Verstärkung: zuverlässige, gehorsame Soldaten, die bereit waren, das zu tun, was ihnen von den Herrschern in Outremer befohlen wurde.
    EIN HEILIGER SPRICHT – BERNHARD VON CLAIRVAUX UND DER ZWEITE KREUZZUG
    Die Bulle »Quantum praedecessores« von Papst Eugen III. rief zum zweiten Kreuzzug auf. Der Text, explizit als Predigthandreichung entworfen, die leicht vom Lateinischen in die Volkssprachen des Abendlands übersetzt werden konnte, bildete den Kern der Kreuzzugsbotschaft, die in den Jahren 1146 und 1147 verbreitet wurde. Allerdings war der Papst, der nicht einmal mehr Mittelitalien in der Hand hatte, außerstande, eine ausgedehnte Predigtkampagne nördlich der Alpen durchzuführen. Er wandte sich deswegen an Bernhard, den Abt von Clairvaux.
    Bernhard war der mächtigste und einflussreichste Prediger des zweiten Kreuzzugs. Ihm ist es vor allen anderen Männern der Kirche zu danken, dass die Botschaft der päpstlichen Bulle verbreitet und dem Volk zugänglich gemacht wurde. In Burgund um das Jahr 1090 herum geboren, trat Bernhard mit 23 Jahren einer Gemeinschaft von Benediktinern bei, die sich kurz zuvor in Cîteaux zusammengefunden hatte, und errang [227] rasch größte Bekanntheit. Nach nur zwei Jahren erhielt er den Auftrag, in Clairvaux ein neues Zisterzienserkloster (mit einer Gemeinschaft, die nach den Regeln von Cîteaux lebte) zu gründen, und sein Ruhm verbreitete sich schnell im ganzen lateinischen Westen. Bernhard war als Redner und eifriger Briefschreiber berühmt, er pflegte eine rege Korrespondenz mit zahlreichen politischen und kirchlichen Größen seiner Zeit und gehörte selbst zu den hervorragendsten Gestalten des 12. Jahrhunderts.
    Der Einfluss des Abts nahm in dem Maß zu wie der Zisterzienserorden, zu dem er gehörte. Diese neue monastische Bewegung wurde im Jahr 1098 gegründet und verbreitete sich schnell in ganz Europa; ihr Anliegen war eine strenge Interpretation der Regel des heiligen Benedikt von Nursia, die den Alltag der Mönche bestimmte und äußerste Schlichtheit in der Lebensführung forderte. Die zisterziensische Bewegung wuchs schnell

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