Die Kreuzzüge
von Payns auf, und der Papst war nur wenig oder gar nicht beteiligt. Zur gleichen Zeit wurde zu Kreuzzügen in Regionen außerhalb der Levante aufgerufen, auch gegen Feinde, die nicht zu den Muslimen des Vorderen Orients gehörten. Die Iberische Halbinsel war schon seit langem Schauplatz des Konflikts zwischen Muslimen und Christen; auch dort sollte es bald zu Kampfhandlungen kommen, die an die Kreuzzüge erinnerten. Der Anführer des Angriffs einer Allianz aus Katalanen und Pisanern auf die Balearen zwischen 1113 und 1115 trug das Zeichen des Kreuzes auf seiner Schulter; und der Papst gewährte denen, die beim Angriff Aragóns auf Saragossa im Jahr 1118 starben, die vollständige Vergebung ihrer Sünden. Calixtus II., vormals päpstlicher Legat in Spanien und daher vertraut mit den dortigen Verhältnissen, unternahm einen großen Schritt in Richtung einer Formalisierung der Aufgabe von Kreuzzügen auf der Halbinsel. Er veröffentlichte im April des Jahres 1123 ein Schreiben, in dem er die Rekruten ermutigte, ein Gelübde abzulegen, in Katalonien »mit dem Zeichen des Kreuzes auf ihren Gewändern« zu kämpfen; als Gegenleistung sollten sie »dieselbe Vergebung der Sünden erhalten, die wir den Verteidigern der Ostkirche gewährt haben«.
Auch Nicht-Muslime gehörten zu den Zielgruppen. Der Kreuzzug Bohemunds von Tarent (1106 – 1108) richtete sich gegen das christliche Byzanz. Und im Jahr 1135 versuchte Papst Innozenz II. sogar, die Kreuzzugsprivilegien auf diejenigen auszudehnen, die gegen seine eigenen politischen Feinde antraten – er sicherte zu, dass seinen Verbündeten »dieselbe Vergebung« gewährt werden sollte, »die Papst Urban beim Konzil von Clermont denen zusicherte, die sich nach Jerusalem aufmachten, um die Christen zu befreien«.
Trotz dieser ständigen Erwähnung einer »Vergebung der Sünden«, wie sie die ersten Kreuzfahrer erhalten hätten, blieb die Formulierung des geistigen Lohnes, der den Kreuzfahrern in Aussicht gestellt wurde, unklar und vieldeutig. Es blieben Fragen offen, die viele Theologen und auch die Kreuzfahrer selbst beunruhigen mussten: Würden durch eine Teilnahme alle Sünden erlassen oder nur die gebeichteten? Erlangten alle, die bei einem Kreuzzug starben, den Status eines Märtyrers? Bernhard, Abt von Clairvaux und Förderer der Tempelritter, setzte sich mit einer der dornigsten theologischen Schlussfolgerungen des Kreuzzugsgedankens [221] auseinander. Als das Papsttum zum ersten Kreuzzug aufrief, hatte es in gewisser Weise unwissentlich eine Büchse der Pandora geöffnet. Der Aufruf, ein Kreuzzugsheer aufzustellen, um den Willen Gottes auf Erden durchzusetzen, konnte die Vermutung nahelegen, dass Gott die Menschen brauchte, dass er also nicht wirklich allmächtig war – ein Gedankengang mit offenkundig explosivem Potential. Bernhard behandelte dieses Problem mit der für ihn typischen intellektuellen Wendigkeit. Er argumentierte, dass Gott aus Liebe nur so tat, als sei er bedürftig; er habe die Bedrohung des Heiligen Landes bewusst arrangiert, damit Christen die Möglichkeit hätten, sich auf diese neue Weise spiritueller Vollkommenheit anzunähern. Der Abt verteidigte also die Kreuzzugsidee und warb gleichzeitig für ihre spirituelle Wirksamkeit. Er sollte dann bei der Verkündung des zweiten Kreuzzugs eine zentrale Rolle spielen, doch zunächst übernahmen andere die Aufgabe, zum Kreuzzug aufzurufen. 2
DER AUFRUF ZUM ZWEITEN KREUZZUG
Im Jahr 1145 wandten sich die levantinischen Christen mit ihren Gesuchen um europäische Hilfe sowohl an kirchliche als auch an weltliche Instanzen. Ein Empfänger der Aufrufe war Papst Eugen III., ein ehemaliger Zisterziensermönch und Protegé Bernhards von Clairvaux. Seit Anfang dieses Jahres saß er auf dem Papstthron. Seine Situation war alles andere als ideal. Vom Beginn seiner Amtszeit an war er in einen schon lange schwelenden Streit mit den Bewohnern Roms wegen der weltlichen Oberherrschaft über die Stadt verstrickt, und er musste im Exil leben. Selbst als er sich entschloss, zu einem großen neuen Kreuzzug aufzurufen, war er gezwungen, sich hauptsächlich in Viterbo, gut 70 Kilometer nördlich des Lateranpalastes, aufzuhalten.
Gesandte aus Outremer suchten außerdem Ludwig VII. auf, den kapetingischen Herrscher Frankreichs – eines Landes, in dem der Kreuzzugsgedanke besonders tief verwurzelt war. Ludwig war im Jahr 1137 zum König gekrönt worden und jetzt Mitte zwanzig; er hatte neuen Schwung und jugendliche Vitalität
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