Die Kreuzzüge
auf den Thron gebracht. Häufig hat man ihn ganz pauschal als »sehr fromm« bezeichnet. Seine frühe Regierungszeit war jedoch geprägt von hitzigen Streitigkeiten mit Rom wegen des Vorgehens der französischen Krone bei der Ernennung kirchlicher [222] Würdenträger, sowie einer scharfen Auseinandersetzung mit dem Grafen der Champagne. Der Vorgänger Eugens III. hatte das Herrschaftsgebiet der Kapetinger geradezu unter päpstliches Interdikt gestellt (und zeitweise das gesamte Königreich exkommuniziert). Im Jahr 1143, auf dem Höhepunkt des Streites mit der Champagne, griffen Ludwigs Soldaten zu der brutalen Maßnahme, eine Kirche in Vitry, in der sich über 1000 Menschen aufhielten, bis auf die Grundmauern niederzubrennen – eine Greueltat, die der König später bereut zu haben scheint. Um das Jahr 1145 herum hatte sich der junge König mit dem Papst wieder versöhnt, und seine glühende Frömmigkeit verband sich mit eifriger Bußfertigkeit. Die Nachricht vom Schicksal Edessas wühlte ihn auf, und die Gelegenheit, ein Heer zur Befreiung der Kreuzfahrerstaaten anzuführen, war ihm hochwillkommen.
Eugen III. und Ludwig VII. scheinen gemeinsam geplant zu haben, zu einem Kreuzzug aufzurufen, doch im ersten Anlauf war ihnen kein Erfolg beschieden. Die päpstliche Kurie (das Verwaltungsorgan des Heiligen Stuhles) formulierte eine Bulle, die am 1. Dezember 1145 einen neuen Ruf zu den Waffen ankündigte, doch erreichte dieses Schreiben Ludwig nicht rechtzeitig zur Versammlung seines Hofes zur Feier des Weihnachtsfestes im zentralfranzösischen Bourges. Als der Monarch seine Absicht kundtat, das Kreuz zu nehmen und im Heiligen Land Krieg zu führen, war die Reaktion sehr gedämpft. Eugen III. brachte seine Bulle in fast identischer Form drei Monate später noch einmal heraus, und bei einer zweiten kapetingischen Versammlung in Vézelay zu Ostern 1146 kam seine Botschaft wesentlich besser an. Ab diesem Augenblick sprang der Funke der Kreuzzugsleidenschaft wieder über, und während des gesamten folgenden Jahres und darüber hinaus bahnte er sich seinen Weg durch ganz Europa. Das offizielle Schreiben des Papstes, das nach seinen ersten lateinischen Worten als »Quantum praedecessores« bezeichnet wird, war ein wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses. Es fand in den Jahren 1146 und 1147 im gesamten lateinischen Westen weite Verbreitung, wurde bei zahlreichen öffentlichen Versammlungen und Massenkundgebungen verlesen und bildete die Vorlage für die Predigtaufrufe zum zweiten Kreuzzug in Europa. Diese Kreuzzugsbulle verfolgte zwei zusammenhängende Ziele: Einerseits sollte die offizielle päpstliche Haltung zu dem Feldzug formuliert werden, vor allem sollte dargelegt werden, von welcher Seite sich der Papst Hilfe erhoffte und welche Privilegien [223] und Belohnungen damit verbunden sein sollten; andererseits sollte die Anwerbung von Teilnehmern angekurbelt werden, indem Anlass und Dringlichkeit des Kreuzzugs herausgestellt wurden.
Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte Papst Urban II. mit seiner Predigt von Clermont zum ersten Kreuzzug aufgerufen; da jedoch von dieser Predigt keine genauen Aufzeichnungen überliefert sind, haben alle Rekonstruktionsversuche von Urbans Ideen und Absichten etwas Spekulatives an sich. Im Gegensatz dazu kann man die Entstehung des zweiten Kreuzzugs zwar nicht auf eine einzige zündende Ansprache zurückführen, doch gestatten es uns die vorliegenden Abschriften von »Quantum praedecessores«, wesentlich genauer die Gedankengänge zu erkennen, die hinter dieser Unternehmung standen, und die Art, wie sie verbreitet wurden.
Eines springt beim Studium der Bulle Eugens III. sofort ins Auge: Die Erinnerung an den ersten Kreuzzug war ein zentraler Bestandteil seiner Vision eines neuen Aufbruchs. Um den eigenen Ruf zu den Waffen nicht nur zu legitimieren, sondern auch zu verstärken, bezog er sich wiederholt auf die Ereignisse des Jahres 1095. Eugen stellte fest, dass er durch das Beispiel »unseres Vorgängers seligen Angedenkens, des Papstes Urban« dazu inspiriert worden sei, zum zweiten Kreuzzug aufzurufen, und er erklärte, der geistige Lohn, der damit zu erwerben war, sei genau derselbe wie »der, den unser vorher erwähnter Vorgänger in Aussicht gestellt hat«. Auch einige Ideen, die Urban in Clermont formuliert hatte, klangen an. Eugen III. wies verschiedentlich mit Nachdruck darauf hin, dass er einen höheren Auftrag habe, eine »Autorität, die uns von Gott verliehen ist«, diesen heiligen
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