Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
Vom Netzwerk:
die von Kirchenmännern geschrieben wurden; daraus [231] folgt, dass die auf uns gekommene Kreuzzugsvorstellung unvermeidlich von der klerikalen Sichtweise geprägt ist. Im Großen und Ganzen müssen sich Forscher, die die Geschichte dieser Epoche rekonstruieren wollen, auf Materialien stützen, die von Weltgeistlichen und Mönchen geschrieben wurden. Und diese Quellen unterliegen deutlichen Unwägbarkeiten, Voreingenommenheiten und Aussparungen. Nun war aber an den Kreuzzügen nicht nur die Kirche, sondern auch der Laienstand beteiligt – wie ist es also möglich, die Laienperspektive der Ritter und Soldaten einzunehmen? Eine vielversprechende Möglichkeit bietet das Studium von Liedern, die im Volk gesungen und vorgetragen wurden und eher in der Volkssprache als in Latein abgefasst waren. Solche Lieder spielten mit großer Wahrscheinlichkeit schon gleich zu Beginn der Kreuzzugsepoche eine Rolle, wenn es darum ging, die Anwerbungskampagnen zu intensivieren und die Kampfmoral zu stärken; die ersten Zeugnisse liegen uns allerdings erst aus den 1140er-Jahren vor. Dazu gehört auch das altfranzösische Lied »Ritter, die Verheißung ist groß«, das von höfischen Sängern, den Troubadouren, in den Monaten nach der Versammlung von Vézelay vorgetragen wurde. Sein Refrain und die ersten Strophen lauten:
    Wer mit König Ludwig zieht,
    Muss die Hölle nie mehr fürchten,
    Seine Seele wird ins Paradies gelangen,
    Wo die Engel des Herrn wohnen.
    Edessa ist, Ihr wisst es, erobert,
    und die Christen dort leiden schon lange schlimme Qualen.
    Die Kirchen stehen jetzt leer,
    Keine Messen werden mehr gesungen.
    O Ritter, denkt daran,
    Ihr, die ihr für eure Wehrhaftigkeit berühmt seid,
    Und dann gebt eure Leiber für den hin,
    Der für euch mit Dornen gekrönt wurde.
    Dieses rare Zeugnis der Verherrlichung und Werbung für den Kreuzzugsgedanken von weltlicher Seite zeigt deutliche Anklänge an bestimmte [232] Botschaften aus den kirchlichen Predigten: das Versprechen geistlichen Lohns; das Leiden der Christen im Orient; den Kampf im Dienst und in der Nachfolge Christi. Doch die Sprache ist direkter, und es gibt auch bezeichnende inhaltliche Unterschiede. Ludwig VII. wird als eigentlicher Anführer angesprochen, der Papst wird nicht erwähnt. Die komplexe Ablasslehre wird ersetzt durch die argumentativ überschaubare Zusage eines Platzes im »Paradies«. Im weiteren Verlauf des Liedes wird außerdem Zangi als der eigentliche Feind der gesamten Unternehmung genannt. Während also die Kirche mit »Quantum praedecessores« argumentierte und Abt Bernhard den Ruf zu den Waffen verbreitete, bewiesen die Laien, dass sie durchaus in der Lage waren, ihre eigene Vision des zweiten Kreuzzugs zu formulieren. 7
    DAS IDEAL WIRD AUSGEWEITET
    Der Verlust von Edessa war die Initialzündung für den zweiten Kreuzzug, und im Jahr 1147 machte sich der Großteil der Heere unter Ludwig VII. und Konrad III. auf den Weg, um in der Levante zu kämpfen. Allerdings war der Wirkungsbereich der Aktivitäten der Kreuzfahrer in den späten 1140er-Jahren nicht auf den Vorderen Orient beschränkt; in dieser Phase beteiligten sich lateinische Soldaten an ähnlichen heiligen Kriegen auf der Iberischen Halbinsel und im Ostseeraum. Für einige Beobachter hatte es den Anschein, als habe in einer Art paneuropäischem Kreuzzug das gesamte Abendland zu den Waffen gegriffen. Papst Eugen III. selbst schrieb im April des Jahres 1147, dass »eine so große Menge von Gläubigen aus unterschiedlichsten Gebieten sich auf den Kampf gegen die Ungläubigen vorbereitet [. . .], dass fast die gesamte Christenheit für diese riesige Aufgabe versammelt zu sein scheint«. Zwei Jahrzehnte später hat der lateinische Chronist Helmold von Bosau (an der Ostseeküste) diese Sicht scheinbar bestätigt, wenn er schreibt, dass »die Initiatoren des Feldzugs es für das Beste hielten, wenn ein Teil des Heeres in das [Heilige Land] entsandt wurde, ein zweiter nach Spanien und ein dritter gegen die Slawen, die ganz in unserer Nähe leben«. Einige Zeitgenossen sahen also im zweiten Kreuzzug eine einzige große Unternehmung, entworfen und geleitet von ihren visionären »Initiatoren« Papst Eugen und dem Abt von Clairvaux. In den letzten Jahrzehnten schlossen sich auch moderne Historiker [233] dieser Vorstellung an und vertraten die Auffassung, das erstaunliche Engagement für die Kreuzzugsidee zwischen 1147 und 1149 sei ein Resultat bewusster, von Anfang an betriebener Planung von Seiten der

Weitere Kostenlose Bücher