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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Einsatz schwerer bewaffneter Lanzenreiter und größerer Infanterie-Einheiten, aber auch an die Erfordernisse eines Belagerungskriegs anpassten. Die bei weitem verbreitetsten Formen der Kriegsführung waren Überfälle, Scharmützel und vernichtende interne Auseinandersetzungen aufgrund relativ geringfügiger Streitigkeiten um Macht, Land und Besitz. 10 Theoretisch konnten muslimische Truppen dazu aufgerufen werden, sich für eine höhere Sache einzusetzen – etwa für einen heiligen Krieg.
    Die Idee des heiligen Krieges hat von Anfang an zum Islam gehört. Mohammed selbst hatte im Zusammenhang mit der Unterwerfung Mekkas mehrere Feldzüge angeführt, und die rasante muslimische Expansion im 7. und 8. Jahrhundert wurde durch die ausdrückliche Verpflichtung der Gläubigen vorangetrieben, die Herrschaft des Islams auszudehnen. Glaube und Gewalt waren daher im Islam unmittelbarer und natürlicher verbunden als im lateinischen Christentum, das sich erst allmählich an diese Idee gewöhnte.
    Die muslimischen Gelehrten forschten im Koran und im Hadith, den »Überlieferungen«, wie die Sammlung der Aussprüche Mohammeds genannt wurde, um die Rolle des Krieges im Islam herauszuarbeiten. Diese Texte enthalten zahlreiche Belege dafür, dass der Prophet den »Kampf auf dem Weg Gottes« befürwortete. In der Frühzeit des Islams diskutierte man die Frage, was zu diesem Kampf oder Dschihad (wörtlich: Anstrengung) eigentlich gehört – und die Auseinandersetzung dauert bis heute an. Einige Gruppierungen, wie die muslimischen Mystiker, die Sufis, waren der Auffassung, dass der »größere Dschihad« der innere [37] Widerstand gegen Sünde und Irrtum sei. Im ausgehenden 8. Jahrhundert hatten sunnitische Rechtsgelehrte allerdings damit begonnen, eine offizielle Theorie zu der Vorstellung zu entwickeln, die teilweise als »kleinerer Dschihad« bezeichnet wird: »zu den Waffen zu greifen«, um einen Krieg »nach außen«, gegen die Ungläubigen auszutragen. Zur Begründung dieser Lehre zitierten sie Texte aus den heiligen Schriften, so etwa Verse aus der neunten Sure: »Bekämpft die Polytheisten vollständig, so wie sie euch vollständig bekämpfen«, oder aus dem Hadith den Ausspruch Mohammeds: »Ein Morgen oder ein Abend bei einem Feldzug auf dem Weg Gottes ist besser als die Welt und all ihre Güter, und wer von euch tot auf dem Schlachtfeld zurückbleibt, ist besser dran, als wenn er 60 Jahre gebetet hätte.«
    Rechtswissenschaftliche Abhandlungen aus dieser frühen Zeit erklärten den Dschihad zu einer Verpflichtung, die allen kampftauglichen Muslimen oblag, wobei dies weniger als eine individuelle denn als eine gemeinschaftliche Pflicht galt und die Verantwortung für den Kriegszug letztlich beim Kalifen lag. Unter Verweis auf Aussprüche aus dem Hadith – etwa »Die Tore des Paradieses sind unter den Schatten der Schwerter« – garantierten die Gelehrten auch, dass jedem, der im Dschihad kämpfte, der Einzug ins Paradies sicher war. Sie postulierten eine förmliche Teilung der Welt in zwei Bereiche: Dar al-Islam , das »Haus des Friedens« (der Bereich, in dem muslimisches Recht und Gesetz gelten), und Dar al-harb , das »Haus des Krieges« (der Rest der Welt). Eigentliches Ziel des Dschihads war erklärtermaßen der unerbittliche heilige Krieg im Dar al-harb , so lange, bis die gesamte Menschheit sich zum Islam bekannt oder sich der muslimischen Herrschaft unterworfen hatte. Dauerhafte Friedensverträge mit nicht-muslimischen Feinden waren ausgeschlossen, und eine zeitlich begrenzte Waffenruhe durfte nicht länger als zehn Jahre dauern.
    Im Lauf der Jahrhunderte schwand der in dieser klassischen Theorie des Dschihads enthaltene Impuls zur Expansion allmählich. Die arabischen Stämme wurden zum Teil sesshaft und begannen, mit Nicht-Muslimen wie den Byzantinern Handel zu treiben. Noch immer gab es heilige Kriege gegen Christen, doch sie wurden seltener; oft wurden sie ohne Zustimmung des Kalifen von Emiren betrieben und angeführt. Im 11. Jahrhundert waren dann die Herrscher im sunnitischen Bagdad viel eher daran interessiert, den Dschihad zur Wahrung islamischer [38] Rechtgläubigkeit einzusetzen, indem sie gegen »häretische« Schiiten kämpften, als sich in heilige Kriege gegen das Christentum zu verwickeln. Die Vorstellung, dass der Islam sich in einen unabsehbaren Kampf verstricken sollte, um seine Grenzen vorzuschieben und Ungläubige zu unterwerfen, fand wenig Anklang; das Gleiche galt für die Idee eines

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