Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Sätze war keinem über die Lippen gekommen.
Eryne hatte Amanon und Nolan nur ungern zu ihrem Erkundungsgang aufbrechen sehen, denn ohne die beiden fühlte sie sich noch schutzloser als zuvor. Aber bei dem Gedanken, Kebree könnte ihr in ihrer Abwesenheit seine Liebe gestehen, war ihr genauso unwohl. Dabei brauchte er gar nicht auszusprechen, was er für sie empfand. Seit er sich seiner eigenen Mutter widersetzt und Eryne seine Loyalität beteuert hatte, bestand kein Zweifel mehr daran, dass er nicht nur aus reiner Freundschaft an ihrer Seite geblieben war. Die Leidenschaft, mit der er sich für sie einsetzte, sagte mehr als tausend Worte.
Und Eryne musste zugeben, dass auch er sie nicht ganz unberührt ließ. Er war ein großer, schöner Mann, und wenn er sie ansah, fühlte sie sich begehrenswerter als je zuvor. Bei der Vorstellung sich an seine Brust zu schmiegen und den Duft seiner Haut einzuatmen, spürte sie eine Hitzewelle durch ihren Körper strömen … Doch dieser Sehnsucht wollte sie sich nicht hingeben, und zwar aus zwei guten Gründen.
Zum einen fühlte sie sich auch zu Amanon hingezogen.
Allerdings waren ihre Gefühle für ihn ganz anderer Natur. Während Keb sie mit seinem Charisma und seiner Kraft beeindruckte, nahm Amanon sie mit seiner Intelligenz, seiner Umsicht und vor allem mit seinem Großmut für sich ein. Sie hatte die edle Geste, mit der er dem Wallatten sein Vertrauen bewiesen und damit Keb die Würde zurückgegeben hatte, nicht vergessen. Und auch wenn er im Kampf weniger geschickt war als der Prinz, hatte er ebenso viel Mut bewiesen. Von Anfang an hatte sich Amanon immer wieder in Gefahr begeben, um die anderen Erben zu schützen und sie vor dem Schlimmsten zu bewahren, ganz so, wie es ein Vater für seine Kinder tun würde. Auch er war auf seine Art ein starker Mann, an dessen Schulter sie sich nur zu gern angelehnt hätte.
Aber sie konnte und wollte sich nicht für einen von beiden entscheiden. Denn noch etwas anderes bereitete ihr Kopfzerbrechen, und das war der zweite Grund für ihre Zurückhaltung: die rätselhaften Fähigkeiten, die sie in letzter Zeit an sich bemerkte.
Auf dem Platz der Reiter in Lorelia hatte sie die Gedanken fremder Leute in ihrem Kopf gehört, auf Ji hatte sie die Erben durch ein Labyrinth geführt, in das sie noch nie zuvor einen Fuß gesetzt hatte, und vorige Nacht hatte sie zwei Angreifer im Schwertkampf besiegt, obwohl sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Waffe in der Hand gehalten hatte. Dabei war sie sogar unverletzt geblieben, abgesehen von einer kleinen Schnittwunde am Handgelenk, die sie allein ihrer eigenen Ungeschicklichkeit zuzuschreiben hatte.
So empfindsam und ängstlich sie sonst auch sein mochte – sie hatte tatsächlich den Mut aufgebracht, ihren beiden Gegnern die Stirn zu bieten und ihre Gedanken zu lesen. Dadurch hatte sie ihre Bewegungen vorausahnen können und war ihnen stets einen Wimpernschlag voraus gewesen. Sie hatte nur im richtigen Moment ihr Schwert ausstrecken oder zur Seite springen müssen, und schon waren die Männer ihr ganz von allein in die Klinge gerannt oder bei dem Versuch, sie zu erstechen, über die Dachkante in die Tiefe gestürzt.
Seither waren einige Dekanten vergangen. Eryne kam das Ganze allmählich vor wie ein böser Traum, ganz so, als hätte der Kampf nur in ihrer Einbildung stattgefunden. Andererseits war ihr jeder Moment dieser Szene, die sie wie im Rausch erlebt hatte, unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. Mit verblüffender Genauigkeit erinnerte sie sich an die Gedanken der beiden Männer, ihre Namen, ihre Empfindungen während des Kampfes und an ihre bisherigen Verbrechen, die ihr in allen Einzelheiten vor Augen standen und die sie am liebsten gleich wieder vergessen hätte.
Immerhin hatte sie auf diese Weise erfahren, mit welchen Feinden sie es diesmal zu tun hatten. Die Angreifer waren Anhänger Phrias’ – eine weitere Sekte, die sich der Dunklen Bruderschaft angeschlossen und die Verfolgung der Erben aufgenommen hatte, nicht anders als die Valiponden und K’lurier. Dieses Wissen half ihnen zwar nicht viel weiter, doch als Eryne plötzlich damit herausgerückt war, hatten die Erben nicht schlecht gestaunt. Auf Fragen wie »Woher wisst Ihr das?« und »Bist du sicher?« hatte sie nur leise geantwortet: »Ich habe ihre Gedanken gelesen. Aber darüber sollten wir erst sprechen, wenn Zejabel wieder bei Kräften ist.«
Leider verfügte die Zünicht über Kebs erstaunliche Fähigkeit, sich
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