Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Inselbewohner wusste, wer sich an Bord befunden hatte.
In der abgedunkelten Sänfte, die sich schaukelnd entfernte, musterte Zui’a die Strafende ihren Höchsten Judikatur. Der Sterbliche beteuerte ihr zum hundertsten Mal seine Ergebenheit und Treue, doch die Dämonin las in ihm wie in einem offenen Buch. Der Verräter hatte zu hoffen gewagt, dass seine Gebieterin für immer fortbleiben würde! Als sie einige Tage zuvor in seine Gedanken eingedrungen war, um ihm ihre Rückkehr anzukündigen, hatte er bereits davon geträumt, die Herrschaft im Lus’an an sich zu reißen. Doch das war ihr vorerst gleichgültig, denn noch brauchte sie erfahrene Männer wie ihn. Sie würde ihn später bestrafen.
»Eure Göttlichkeit, wie kommt es, dass Euch die Lorelier zu Diensten waren?«, fragte der Judikator mit unterwürfiger Stimme. »War dieses Volk Euch nicht immer feindlich gesinnt?«
»Die Zeiten ändern sich«, gab die Unsterbliche mit einem bitteren Lachen zurück. »Wir haben nun einen gemeinsamen Verbündeten, dem sie nichts verwehren können.«
Der Mann nickte eilfertig, auch wenn er aus der Antwort nicht schlau wurde. Hunderte Fragen brannten ihm auf der Zunge, und eine beschäftigte ihn ganz besonders. Zuia wollte nicht warten, bis er sich einen Ruck gab.
»Die Kahati wird nicht zurückkehren. Sie hat uns verraten.«
Der Priester riss entgeistert die Augen auf, bevor er sich besann und eine würdigere Haltung annahm. So etwas war in der Geschichte der Zuia-Verehrung noch nicht vorgekommen. Neben einem solchen Frevel erschienen seine eigenen ketzerischen Gedanken geradezu harmlos.
»Wie … wie …« Als er Zui’as harten Blick sah, sprach er seine Frage nicht aus.
»Sie wird die Strafe erhalten, die ihr gebührt«, sagte er und ballte die Faust. »Ihr braucht mir nur zu sagen, wo sie sich versteckt, dann werde ich …«
»Ich kann sie nicht ausfindig machen«, unterbrach ihn Zuia schneidend. »Sie steht unter dem Schutz einer fremden Magie. Ihr werdet sie ohne meine Hilfe aufspüren müssen.«
Diesmal konnte der Judikator seine Überraschung nicht verhehlen. Die Unsterbliche ließ ihn im Ungewissen. Ihr war nicht danach, ihm die Umstände des Verrats zu schildern. Sombre, der Bastard aus dem Karu, hatte sie ihre Schwäche schon schmerzlich genug spüren lassen.
Offenbar waren die Flüchtlinge immer noch am Leben. Seit Zejabels Treuebruch betrachtete die Strafende die Jagd auf die Erben als persönlichen Rachefeldzug. Als göttliche Mission.
***
Zu den ersten Aufgaben meiner Spitzel gehörte es, genauere Nachforschungen über die Schlacht am Blumenberg anzustellen. So widersprüchlich ihre Berichte auch waren, in einer Hinsicht waren sich alle einig: Einer kleinen Schar Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern der bekannten Welt war es zu verdanken, dass die arkischen Klans in den Kampf gezogen waren und den Sieg errungen hatten. Und unter diesen Abenteurern, die das Schicksal zusammengeführt hatte, befand sich auch ein Lorelier.
Ich zog Erkundigungen über ihn ein und deutete es als Wink der Götter, dass es sich um den letzten Nachfahren der Herzöge von Kercyan handelte, dessen Großvater rund hundert Jahre zuvor in Ungnade gefallen war. Mein Bruder ließ sich überreden, dem jungen Mann Ländereien und Titel seiner Ahnen zurückzugeben. So konnte sich das Königreich mit seinen Heldentaten schmücken, während ich vor allem hoffte, den Vagabunden in meinen Palast zu holen, um mehr über die Hintergründe der Schlacht zu erfahren.
Doch leider hatte ich mich zu früh gefreut. Der neue Herzog, Reyan mit Namen, entzog sich geschickt unseren Fragen und nahm alle Geschenke an, ohne mehr als nötig preiszugeben. Da ich den Abenteurer in den Adelsstand erhoben hatte, konnte ich bei unseren Verhören keine Gewalt anwenden, ohne für Aufsehen zu sorgen. Notgedrungen überließ ich ihn und sein Priesterweib ihrem neuen Leben am Hof und begnügte mich damit, sie heimlich zu bespitzeln.
Ein Jahr verging, dann das nächste, bis ich schließlich einsehen musste, dass ich auf diesem Wege nicht hinter die Geheimnisse der Kercyans kommen würde. Sie schienen ein entsetzlich langweiliges Leben zuführen, vor allem nachdem ihre Tochter zur Welt gekommen war. Entweder hatten sie tatsächlich nichts zu verbergen, oder sie waren wahre Meister der Schauspielkunst’.
So hatte ich fünf Jahre nach der Schlacht am Blumenberg und meiner Übernahme der Grauen Legion immer noch nicht herausgefunden, welche Umstände uns
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