Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
besiegen, aber angesichts seiner Stärke sind wir machtlos. Weiseste aller Weisen, wir brauchen Eure Hilfe.«
Niemand wagte es, sie zu unterbrechen. Amanon empfand eine gewisse Beklemmung, und auch sein Vater warf immer wieder nervöse Blicke zur Tür und zu Sombre hinüber. Jeden Moment konnte der Dämon erwachen.
»Führt uns, Eurydis!«, rief die Priesterin mit bebender Stimme. »Lasst nicht zu, dass der Tod Eurer Schwester Aliandra vergeblich war!«
Sie sprach weiter, aber ihre Stimme war bald nur noch ein Flüstern, und schließlich schlug sie die Hand vor den Mund, um einen Schluchzer zu unterdrücken. Ihr Mann half ihr auf und bedeutete den anderen, ihre Andacht zu beenden. Die Erben gingen auf die Tür zu. Diesmal würde sie keine Schar Dämonisten daran hindern, den Palast zu verlassen.
Da blitzte unter dem Bogen ein helles Licht auf und erfüllte die gesamte Fläche unter der Pforte.
Die Gefährten wirbelten herum und kniffen die Augen zusammen. Amanon rechnete damit, das Jal oder irgendeine ferne Landschaft zu erblicken, doch als das Licht erlosch, war alles wie vorher. Es hatte sich kein Durchgang zu einem anderen Ort geöffnet. Stattdessen stand ein junges Mädchen unter dem Bogen. Sie war kaum älter als Niss, hatte blondes Haar und war von atemberaubender Schönheit, obwohl sie ganz gewöhnlich aussah. Im ersten Augenblick wunderte sich Amanon über diesen Widerspruch, und erst als Lana, Nolan und einige andere ein Knie auf den Boden setzten, dämmerte ihm, dass er Eurydis höchstpersönlich gegenüberstand.
Die Göttin lächelte freundlich, doch als ihr Blick durch den von Leichen übersäten Saal schweifte, huschte ein dunkler Schatten über ihr Gesicht. Vielleicht hatte sie auch Sombre reglos am Boden liegen sehen. Amanon ertrug die Ungewissheit kaum noch. Eurydis war nicht die erste Gottheit, der sie begegneten, aber sie war diejenige, in die sie die größten Hoffnungen setzten.
»Ihr … Ihr erscheint den Sterblichen zum dritten Mal«, sagte Lana aufgewühlt. »Heißt das, Ihr … werdet den Beginn des Zeitalters von Ys verkünden?«
Die Unsterbliche nickte langsam und gab den Erben mit dieser schlichten Geste all ihre Zuversicht und ihren Glauben zurück. Das Zeitalter von Ys, auch das Zeitalter der Harmonie genannt, die Verheißung eines besseren Lebens für die Menschheit – hatte ihr Kampf gegen Sombre doch etwas bewirkt? Zwar hatten die Erben den Dämon nicht vernichten können, aber vielleicht hatten sie trotzdem den Lauf der Welt beeinflusst!
»Ich bin gekommen, um euch zu helfen, den letzten Schritt zu tun«, sagte Eurydis mit heller Stimme. »So, wie es vorausgesagt ist.«
Niemand wagte zu sprechen oder sich auch nur zu rühren, aus Angst, den Zauber dieses Augenblicks zu zerstören. Nach einer Weile, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkam, ergriff die Göttin wieder das Wort. Die Erben lauschten gebannt.
»Ihr wisst nun, dass Sombre nicht besiegt werden kann. Er ist der Bezwinger, so haben es die Menschen gewollt. Keine Waffe und kein Lebewesen kann seine unsterbliche Lebensflamme zum Erlöschen bringen. Der Dämon wird alle Kämpfe überleben, ganz gleich, wie lange sie andauern. Am Ende wird er stets als Sieger daraus hervorgehen.«
Amanon warf einen Blick über die Schulter. Ihre Worte stürzten ihn in abgrundtiefe Verzweiflung, doch zugleich empfand er auch leisen Groll auf die Göttin, die den Beinamen »die Weise« trug. Warum hatte sie den Erben nicht schon früher verraten, dass ihre Niederlage unvermeidlich war?
»Keine Waffe kann ihn niederstrecken«, fuhr Eurydis fort, »aber wie alle Unsterblichen hat er eine Schwachstelle. Er existiert nur dank der Seelen, aus denen er im Jal Kraft geschöpft hat. Sollte es euch gelingen, seine Verbindung zum Karu zu durchbrechen, würde er sich in Nichts auflösen.«
Die Erben wechselten verständnislose Blicke. Sie wussten nicht so recht, was sie von dieser Nachricht halten sollten. Yan wagte es als Erster, um eine Erklärung zu bitten. »Die Verbindung durchbrechen? Wie soll das gehen?«
»Indem ihr euch weigert, an das Jal zu glauben. Indem ihr seine Existenz verleugnet«, sagte Eurydis ernst.
Als sie die fassungslosen, verstörten Gesichter ihrer Zuhörer sah, sprach sie weiter: »Ihr seid die einzigen Menschen auf dieser Welt, die beide Hälften des Jal besucht haben und sowohl vor den Hüter des Dara als auch vor den Ewigen Wächter des Kam getreten sind. Das verleiht euch uneingeschränkte Macht über die Existenz
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