Die Kriegerin der Kelten
wartet.
Sie, die Bodicea, ist also unsere einzige Hoffnung; in ihrer Heilung liegt die Hoffnung auf Heilung für das ganze Land. Ich verlasse euch also mit den Worten der schon vor langer Zeit verstorbenen Träumerin der Ahnen, die in einer Höhle zu der Bodicea gesprochen hatte, als diese sich auf die Reise machte, um Mona das erste Mal zu verlassen:
Aber du bist eine Eceni. Es ist dein Blut und dein Recht und deine Pflicht. Es ist noch nicht zu spät, die Tränen der Kinder zu trocknen. Aber dazu musst du zuerst einen Weg finden, wie du den Menschen das Herz und den Mut und den Kampfeswillen, die sie schon längst verloren haben, wieder zurückgeben kannst. Finde eine Möglichkeit, die Krieger zum Kampf aufzurufen und um dich zu scharen, und bewaffne sie; finde mindestens einen, der genug Mut hat, um dir in der Hinsicht das Wasser reichen zu können; vielleicht wirst du dann siegen. Sei ihnen die Anführerin, die sie so dringend brauchen. Und schließlich musst du noch das Zeichen finden, welches das unsere ist, und den Platz entdecken, den es in deiner Seele einnimmt. Erkenne das Zeichen, und dann wirst du sie zum Sieg führen.
PROLOG
Ein Hammer, ein Amboss, dazwischen heißes Eisen, das mit kraftvollen Schlägen ausgetrieben wurde. Hartnäckig dröhnte dieser Klang in ihr Sterben hinein.
Nemain war schon sehr nahe, die Gegenwart der Göttin in dem von Nebelschwaden durchzogenen Mondlicht deutlich spürbar. Und doch zeigte die Gottheit des Mondes und des Wassers noch nicht ihr Gesicht. Stattdessen sprach sie: »Dein Bruder schmiedet dir einen Speer mit dem Symbol der Schlange. Er glaubt, dass dich das wieder enger mit dem Leben verbinden wird.«
Valerius, der verlorene Bruder aus Breacas Kindheit, war wieder zu seiner Schwester zurückgekehrt. Doch sein Wesen hatte sich gewandelt, so sehr, dass er kaum mehr wiederzuerkennen war. Das Hämmern aus der Schmiede aber verriet deutlich seine Anwesenheit: eine wilde Mischung aus Verzweiflung und Mitgefühl. Doch da war auch noch eine gewisse andere Nuance in seinem Lärmen - allerdings wusste Breaca diesen vagen Unterton nicht zu deuten. Und vor allem wollte sie keinerlei Gaben, die sie nur noch länger am Leben erhielten.
»Bin ich denn noch nicht tot?«, fragte sie. Ihre Stimme ertönte nur in ihrem eigenen Kopf, dort, wo allein die Götter und die Geister der Toten sie hören konnten. Jene Stimme, mit der Breaca auch die Lebenden noch hätte erreichen können, war schon vor langer Zeit in den Flammen ihres Fiebers verbrannt.
Die Göttin, zu der sie sprach, hatte viele Gesichter. Zuerst erschien sie Breaca wie ihre Mutter, dann trug sie plötzlich die Züge von Airmid und schließlich die von Graine. Und sie alle umfingen sie mit ihrer ganzen Liebe. Dennoch half das nichts, um die Schmerzen in ihrem Körper und ihrer Seele zu lindern. Mit den Stimmen aller drei entgegnete die Göttin: »Solltest du tatsächlich sterben wollen, so würde dir dieser Wunsch selbstverständlich gewährt werden. Doch ich frage dich - gibt es wirklich überhaupt keinen Anlass mehr für dich, um noch am Leben festhalten zu wollen?«
»Nein«, wollte Breaca entgegnen, »es gibt überhaupt keinen Grund mehr für mich, um noch am Leben bleiben zu wollen.« Und dennoch schaffte sie es nicht, der Göttin im Geiste diesen Gedanken entgegenzuschleudern. Denn ein Name, ein einziger Name, hatte sich wieder und wieder wie ein starres Netz über ihre Lippen gesponnen und diese damit regelrecht versiegelt.
Graine. Graine. Graine.
Sogar der Amboss sang im Dreiertakt des Schmiedens Graines Namen. Sie war der Grund für Breacas Dasein. Sie war der erste und der wichtigste Grund für Breacas Leben. Sie war jenes Maß, an dem alles andere sich messen lassen musste. Diese Erkenntnis schien Breaca mit einem Mal regelrecht wie ein Geschenk. Ein Geschenk, das ihr Bruder ihr soeben durch den Lärm seines Schmiedens überreicht hatte. Mit einem Mal schien sie auf den harten Klängen regelrecht zu schweben, trieb wie auf einem See auf der wahren Masse an Erinnerungen und dem Bewusstsein, dass sie versagt hatte.
»Du trägst nicht die Schuld an den Wunden deiner Tochter, ihre Ursache liegt nicht in deinem Versagen«, widersprach Nemain.
»Wird sie sich denn jemals wieder davon erholen?«
»Vielleicht. Nichts ist sicher. Aber wenn sie sich wieder erholen würde - wäre das ein ausreichender Grund für dich, um weiterleben zu wollen?«
»Wenn du mir Graines Genesung versprechen könntest -
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