Die Kriegerin der Kelten
Tat, sie hatten sich zu einem Keil formiert, ihre Schilde nach außen gerichtet und den Kopf mit nassem Leder umwickelt, zum Schutz vor Feuer und Eisen.
Sein Speer war Cunomar bereits aus der Hand geschnellt, als seine Instinkte ihm zuflüsterten, mit welchem Befehl er seine Krieger nun am effektivsten gegen den Feind hetzen konnte: »Zertrümmert ihnen die Beine! Zielt unter ihre Schilde. Los!«
Das stille Wesen der Nacht schien unter dem plötzlichen Kampf regelrecht zu zersplittern. Zwei Dutzend mit Talg und Kalk eingeriebene Bärinnenkrieger warfen mit wildem Kriegsgeheul ihre Tarnung aus Weidenzweigen von sich und schleuderten ihre Speere nach vorn. Die Mehrheit der Speere traf wie befohlen ihr Ziel, und auch wenn nicht alle sich in Fleisch oder Knochen bohrten, so verfingen sie sich doch zumindest zwischen den Knöcheln der Männer, die daraufhin strauchelten und geradezu in die Nacht hineinstürzten. Sie waren allesamt betrunken, geblendet und wie betäubt - und nichtsdestotrotz noch immer gefährlich kampftauglich.
»Zerschlagt den Keil! Sie dürfen sich nicht zu einer Reihe formieren!«
Cunomar war bereits regelrecht trunken von der Hitze der Flammen, dem Rauch und dem befreienden Gefühl, sich endlich ins Kampfgetümmel stürzen zu können. Trotzdem hatte ihn noch nicht der wahre Kampfrausch erfasst, und er konnte noch scharf und rational denken. Aufmerksam beobachtete er, wie sein zweiter Speer von dem Knie des Anführers abprallte. Der Mann hatte keine Beinschienen angelegt, trug aber jenen Federbusch auf seinem Helm, der ihn als Unteroffizier auswies. Erschüttert blickte der Römer auf, durch den Alkoholgenuss wie benebelt und zugleich doch hochkonzentriert. Seine Augen schienen wie schwarze Löcher in einem feuerroten Gesicht, und bei näherem Hinsehen wurde offensichtlich, dass er noch viel zu jung war, um die Truppe ganz allein befehligen zu können.
Dann wurde er von einem weiteren Speer getroffen, doch der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich kaum. Er sank auf sein noch unverletztes Knie hinab, stützte sich dabei auf seinen Schild, um nicht vollends zusammenzubrechen, öffnete den Mund und brüllte: »Haltet den Keil!« Genau dieser Moment war es, als, angespornt von dem harten, kratzenden Klang des Lateinischen, der Bärinnenkrieger in Cunomars Innerem die Macht über ihn gewann. Jene archaische Seele erfüllte Cunomars Herz, drang bis tief in seine Eingeweide ein und erfüllte seinen Verstand mit einem solch überwältigenden, nicht mehr zu bändigenden Zorn, dass der junge Krieger schon gar nicht mehr wahrnahm, was er überhaupt tat, und nur noch dem verzehrenden Verlangen folgte, zu töten und immer weiter zu töten, bis alles Römische zerschmettert und für alle Zeiten ins Meer zurückgedrängt worden war.
Er war ein Krieger im Zeichen der Bärin, er stürmte ohne Schild und schützenden Panzer in die Schlacht, kämpfte allein mit Speer und Messer. Seine einzige Rüstung waren das Bärenfett und sein steifer, mit weißem Kalk und Lehmerde präparierter Haarhelm. Der Königsreif, der sich um seinen Arm wand, kennzeichnete ihn als den Sohn der Bodicea, als Spross der königlichen Linie der Eceni. Sein Messer war ein Geschenk von seiner Mutter, das sie geschmiedet hatte, ehe die Diener Roms sie ausgepeitscht hatten. Die ersten Feinde, die Cunomar jemals im Kampf getötet hatte, hatte er mit genau diesem Messer und im Beisein seiner
Mutter niedergestochen. Und genau wie damals, so versuchte er auch dieses Mal im Geiste das Lied der Klinge heraufzubeschwören, auf dass er vielleicht wenigstens einen kleinen Teil der Bodicea mit in den Kampf hineintragen könnte.
Gellend schrie er ihren Namen, als er mit dem Heft seines Messers den Wangenknochen des römischen Offiziers zertrümmerte. Anschließend stach er ihm in beide Augen. Nun gab auch das noch unverletzte Knie des Römers nach, und er brach leblos auf dem bereits von Blut durchtränkten Boden zusammen. Sein Tod kam zu plötzlich, als dass er noch hätte aufschreien können.
Jubelnd warf Cunomar den Kopf in den Nacken und stieß den Siegesruf der Bodicea und der Bärinnenkrieger aus. Hätte einer der Feinde ihn in diesem Moment attackiert, so wäre sein Tod besiegelt gewesen. Und das war Cunomar auch bewusst, doch es interessierte ihn nicht. Denn er lebte, weil die Bärin über ihn wachte, und die Bärin war durch nichts zu bezwingen. Gemeinsam mit Ulla tötete Cunomar noch einen zweiten Mann, und obwohl in diesem Moment noch
Weitere Kostenlose Bücher