Die Kristallwelt der Robina Crux
„Dreieck.“ Robinas Herz klopfte bis zum Halse. Sie war sich nicht im klaren, ob sie sich vielleicht verhört hatte. Sie zwang sich daher in aller Ruhe, ihre Tafel erneut zu bemalen.
Noch ehe sie die dritte Seite des Dreiecks gezogen hatte, sagte der Roboter: „Dreieck.“
EPILOG
Hätten irdische Raumfahrer jenen vagabundierenden Himmelskörper betreten und wäre ihre Überraschung über sein selbsttätiges Leuchten und die Pracht seiner Kristalle dem forschenden Alltag gewichen, hätten sie sich vom Schock der Entdeckung einer mit irdischer Schrift bedeckten Wand erholt, ihre Verwunderung über jenen ausgedehnten Garten, der sich am Ufer eines erstarrten Sees vor dem Eingang zu einer Grotte erstreckte, hätte gewiß noch lange Zeit angehalten. Ähnlich wäre es wohl auch anderen vernunftbegabten Wesen ergangen, vorausgesetzt, sie besäßen die notwendigen biologischen und physiologischen Kontaktfähigkeiten. Sicher wären ihnen etliche der niedergeschriebenen Begebenheiten, die sie auf vielen glatten Wänden der Kristalle, nicht nur auf der Zentralfläche am See, erwarteten, unverständlich geblieben, aber auch sie würden nun die Allscherbe durchforschen, würden rote Behälter an den höchsten Spitzen der Kristalle und einen leuchtenden Strich quer über die Ebene entdecken.
Und dieser Strich würde sie ebenfalls zum Garten vor der Grotte führen. Sie würden staunen über die Blütenpracht, über das Grün, das trotz aller Farbenspiele der Minerale unnachahmlich lebendig erscheint, und sie müßten sich fragen, wie so etwas auf der sterilen, atmosphärelosen Oberfläche dieses toten Sterns in der Raumkälte existieren kann. Erst wenn sie eine gewisse Scheu überwunden hätten und die zarten fremdartigen Gewächse berühren würden, müßten sie ihren Irrtum feststellen, da das Sprödgefrorene unter ihrem Griff gläsern zerrieseln würde. Und sie würden sehen, daß jeder Stengel aus einem kleinen Loch sprießt, das ein scharfer Hitzestrahl in den Untergrund gebohrt hat.
Würde ein verborgener Beobachter das Geheimnis des seltsamen Himmelskörpers ergründen wollen, so könnte er in einem stets wiederkehrenden Turnus ein seltsames, berührendes Schauspiel erleben. Aus der Grotte tritt ein Wesen in einem orangefarbenen faltigen Anzug, der den gesamten Körper umhüllt, mit einer großen Kugel auf den Schultern, in die eine Sichtscheibe eingearbeitet ist. Und wenn sich das Wesen auf dem langgestreckten, klaren Kristall, der vor der Grotte liegt, niedergelassen hat und den Kopf an das violette Oktaeder lehnt, das ein Stück aus der Uferlinie hervortritt, dann ist in den hellen Pulsationen hinter dieser Scheibe das müde, bleiche Antlitz zu sehen, dem die geschlossenen Lider und das Entspannte einen Ausdruck von gelöster Zufriedenheit verleihen.
Das Gesicht wird umrahmt von welligem, mit silbrigen Fäden durchzogenem Haar, um die äußeren Mundwinkel ziehen sich kleine Fältchen. Es ist ein gereiftes, abgeklärtes Gesicht.
Dann öffnet das Wesen klare blaugraue Augen, die im Gegensatz zum silbrigen Haar und zu den Fältchen Frische ausstrahlen, wenn sie auch nicht lebhaft in die Umgebung blicken, sondern eher starr in den samtschwarzen Himmel gerichtet sind, sich gleichsam an den gleißenden Sonnen festsaugen.
Beim Betrachten dieses Gesichts und der Augen kann der Beobachter leicht übersehen, daß sich aus dem Eingang der Grotte noch ein Körper schiebt, ein merkwürdig unförmiger Klotz, der metallisch die Lichtstöße reflektiert und, dreißig
Zentimeter über dem Boden schwebend, unbeweglich stehenbleibt.
Und überrascht wird der Betrachter sein, wenn er zufällig sein Funkgerät in einem bestimmten Frequenzbereich auf Empfang geschaltet hat. Leise schwebend löst sich ein Gesang aus der Stille, ein Gesang von mehreren Stimmen, von vielen Stimmen, ein Chor von Stimmen gleichen Timbres. Ein- und mehrstimmig gesungen, erklingen Melodien voller Getragenheit und Schwermut. Der aufmerksame Zuhörer wird alsbald herausfinden, daß von dem Orangewesen nur eine der Stimmen kommt, während alle anderen der Metallkoloß singt…
Später, nach einer Stunde oder mehr, schließt sich ein kleiner Dialog an, etwa folgenden Inhalts:
Das Wesen mit dem Kugelhelm fragt: „Wie weit bist du gekommen?“ Und der Metallkörper antwortet, daß er alles oder nur einen Teil geschafft habe, daß sie ihm eine neue Fläche zuweisen müsse oder daß auf der alten noch soundso viel Platz sei. Und meist liest sie ihm dann
Weitere Kostenlose Bücher