Die Kristallwelt der Robina Crux
Eselchens, und sie fühlte sich unternehmungslustig.
Der Weg führte zuerst zum Wrack, und dann galt es, die Kristallwildnis zu überwinden, ein Unterfangen, dem sich noch keiner der Mannschaft der REAKTOM unterzogen hatte. Bei den drei Besuchen, die stattgefunden hatten, waren sie unmittelbar neben der Kuppel auf der ebenen Deckfläche eines Würfels gelandet und dann von diesem hinab- und auf die Stufenpyramide, die das Bauwerk trug, hinaufgestiegen. Würde sich dieser Kristalldschungel überhaupt durchdringen lassen?
Nach zwei kleineren Reparaturen gelangte Robina in einer Stunde zunächst zum Wrack. Sie bemühte sich, den matt blinkenden Körper ohne Emotionen zu betrachten.
Einen Augenblick lang packte sie die Versuchung, gleich mit dem Eselchen die schräg stehende Wand des großen Kristalls hinaufzufahren. Dann war es ihr doch zu risikovoll, und sie entschloß sich, wie Tage zuvor wieder die Treppenkaskade zu nehmen.
Als sie erneut oben stand, war es ihr, als ob Trauer und Wehmut sie erdrücken wollten. Sie dachte daran, welche Hoffnung sie in diesen Standort gesetzt hatte, und ertappte sich dabei, wie sie sehnsüchtig hinüber zum anderen Ufer sah, ob nicht vielleicht doch die „große Laterne“ aufgehen, gleich einem Riesenstern an einer der Kristallflächen Reflexe erzeugen würde. Dann jedoch wandte sie sich abrupt ab und zwang ihre Blicke in Richtung Kuppel.
Nach einiger Mühe konnte sie das Bauwerk im Gewirr geometrischer Formen ausmachen, sie suchte mit dem Fernrohr im überschaubaren Vordergrund eine Trasse und konzentrierte sich auf den Weg. Obwohl sich die Hindernisse verhältnismäßig leicht überwinden ließen – es fand sich stets ein Vorsprung, eine Einschnürung, eine abgebrochene Säule –, spürte Robina bald, wie ihre Kräfte schwächer wurden. Und sie befand sich erst auf dem Hinweg. Das fehlende Training an den vergangenen Tagen rächte sich.
Schon als sie meinte, die Orientierung verloren zu haben und umkehren zu müssen – sie hatte vergessen, das in der geringen Schwere ohnehin nur unzulänglich funktionierende Gyroskop mitzunehmen –, sah sie von einer Erhöhung aus, ziemlich nah, die Kuppel vor sich liegen. Erst jetzt, auf dem letzten Teil der Strecke, empfand Robina echtes Vergnügen, diese wahrlich märchenhafte Welt zu entdecken. Und sie begann zu bedauern, daß nicht mehr Menschen Gelegenheit hatten, dies alles zu sehen. Stereoskopisch müßte das festgehalten werden… Der letzte Teil des Weges erwies sich als außerordentlich schwierig und kräftezehrend. Und ausgerechnet die hochgeschossene Stufenpyramide, die die Kuppel trug, ragte steil aus einem Meer kopfgroßer Spate. Robina schickte sich an, die Pyramide zu umrunden. Die Spate wurden abgelöst von einem Untergrund, aus dem überdimensionale Mineralrippen sprossen, die Robina immer wieder umgehen mußte. Das Gelände war wellig, und mehrmals glitt Robina aus.
Am Fuße der Pyramide taten sich zahlreiche Spalte und Höhlen auf, von denen ein Teil tief in den Untergrund führte.
Die dritte von Robina abgesuchte Seite der Pyramide wies jene Unregelmäßigkeiten auf, an die sie sich zu erinnern glaubte und die sie seinerzeit für die Erstbesteigung benutzt hatten. Ein Teil des Massivs hatte sich hier abgespaltet und lag in wüsten Trümmern zwischen den Kristallrippen. Die von Rissen durchzogene Fläche, nicht völlig eben und auch nach oben hin geneigt, mußte bei einiger Anstrengung und Geduld auch im Alleingang zu erklimmen sein.
Robina benötigte dazu zwei Stunden, und völlig erschöpft lag sie dann geraume Zeit auf der oberen Plattform, um sich von den Strapazen zu erholen.
Kurz vor ihr wuchs die glasklare halbkugelige Kuppel aus dem gelblichen Material des Kristalls, unverrückbar, scheinbar mit ihm verschmolzen.
Ursprünglich mußte sie schlierenfrei durchsichtig gewesen sein. Jetzt wies sie eine Anzahl weißlicher Punkte auf, in denen sich die Oberfläche rauh anfühlte: Einschläge.
Robina umkreiste gedankenversunken die Kuppel. Sie hielt dabei die linke Hand an die Oberfläche und ließ sie nach Kinderart daran entlangschleifen.
Fast bereute sie, den beschwerlichen Ausflug unternommen zu haben. Was hatte sie erwartet, was für ein Ergebnis sollte der erneute Besuch bringen?
Insgesamt viermal hatten sie dem Plateau einen Besuch abgestattet, zweimal war sie selbst dabeigewesen. Sie hatten fotografiert, herumgerätselt, gesponnen, alle möglichen Vermutungen und Varianten durchgespielt.
Betreten
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