Die Kultur der Reparatur (German Edition)
häufig eine exakt kalkulierte ist. Geplante Obsoleszenz nennt man dies, vom Controller berechnet, vom Kunden manchmal sogar gewünscht (wie beim Handy, das man nur ein Jahr benutzen möchte), manchmal mit Verdruss in Kauf genommen. Wenn eine Firma das Optimum aus Materialeinsatz und Preis erzielt, ist das zwar geplant, hat aber nichts mit Verschwörung zu tun: Ich kann dem Hersteller einer Festplatte nicht vorwerfen, dass er auf größere Kondensatoren verzichtet. Die wären zwar vielleicht langlebiger, aber auch riesig, so wie früher. Selbstverständlich baut er ganz bewusstkleinere und billigere Kondensatoren ein. Aber nicht, weil er tricksen will, sondern weil der Kunde kleinere Festplatten zu einem möglichst günstigen Preis möchte.
Neben der geplanten Obsoleszenz existiert so etwas wie eine funktionelle Obsoleszenz, die immer dann auftritt, wenn eine neue, bessere Funktion für ein Gerät entwickelt wurde. Wenn also der technische Fortschritt ein Produkt optimiert. Natürlich ist es nicht immer leicht zu entscheiden, wie groß im Einzelfall die Verbesserung ist und ob sie einen Gerätetausch, eine Neuanschaffung sinnvoll macht. In softwaregetriebenen Bereichen ist es angeraten, ein Augenmerk auf die sogenannte Aufwärtskompatibilität zu richten, die es ermöglicht, neue Software nicht sofort und bei jeder noch so marginalen Weiterentwicklung mit dem Vernichten alter Hardware verknüpfen zu müssen. Natürlich haben wir es auch mit einer psychologischen Variante der Obsoleszenz zu tun, wenn wir Konsumenten modischen Bedürfnissen folgen, die uns beispielsweise zum Neukauf eines Kleides oder eines designten Möbelstücks führen, obwohl die alten Produkte weiterhin funktionsfähig sind. Es ist im Interesse derHersteller, die Nachfrage nach Ersatz hochzuhalten und ein für die Unternehmen optimales Verhältnis von teureren Qualitätsbauteilen und Herstellungsmethode zu erreichen.
Ich habe mich schon oft darüber geärgert, dass sich bei elektrischen Zahnbürsten oder Handys der Akku nicht austauschen lässt, wenn seine Lebensdauer zu Ende ist. Wäre dies möglich, hätte ich die Geräte weiter verwenden können.
Wenn auch noch viel Forschung nötig ist, um bessere Akkus herzustellen – das Thema Elektromobilität macht diese Aufgabe dringender denn je –, so könnte man von Seiten der Hersteller wenigstens eine Auswechselbarkeit vorsehen. Doch wie auch bei vielen Handys und anderen Consumer-Elektronikprodukten, ist dies nicht möglich. Kaffeemaschinen streiken, nur wenige Wochen nach Garantieende, ähnlich ist es bei Waschmaschinen, deren Heizstäbe allzu früh versagen. Einen Teil des Problems haben wir selber in der Hand, z. B. über eine regelmäßige Wartung wie beispielsweise Entkalkung. Ein anderer Teil könnte über eine längere Gewährleistungspflicht geregelt werden. Dazu gehört auch das Vorhalten von Ersatzteilen für eine nötige Reparatur. Bei Computern werden statt langlebigeren Bauteilen kurzlebigere verbaut. Die Geräte sollen ihren Geist aufgeben, als hätte man ihnen eine innere Zeitschaltuhr eingebaut, die so eingestellt ist, dass ab einem bestimmten Punkt, nach einer genau definierten Anzahl von Benutzungen die Inbetriebnahme nicht mehr funktioniert. Auf der anderen Seite aber wollen die wenigsten Menschen Produkte benutzen, die hinsichtlich des technischen Standards (z. B. Größenminimierung bei Mobiltelefonen oder bei Festplatten, Speicherkapazität oder Energieeffizienz) völlig veraltet sind. Es gilt das rechte Maß zu finden zwischen intrinsisch und aus guten Gründen kurzlebigeren Produkten und solchen, deren Leben problemlos und ohne große Abstriche verlängert werden könnte. Diese Grenze haben vor allem wir Verbraucher zu ziehen, durch unsere Ansprüche und unser Kaufverhalten.
Feinstrumpfhosen bekommen zum Beispiel, wenn man mit einem scharfen Fingernagel hängen bleibt oder nachdem man sie so und so oft gewaschen hat, Laufmaschen, weil das Gewebe mechanisch nicht stabil genug ist und die Fäden reißen. Wir müssen uns, wollen wir das ändern, fragen, ob wir als Kunde bereit sind, mehr zu bezahlen. Denn viel hängt von den Materialien ab, bei denen meistens gilt: je teurer, desto haltbarer.
Manchmal hat der Verbraucher natürlich gar keine Möglichkeit, langlebige Produkte zu kaufen, weil es sie einfach nicht mehr gibt – oder sie zumindest sehr selten geworden sind. Ändern wird sich das nur, wenn wir wieder solche Produkte wertschätzen, für die wir vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher