Die Kultur der Reparatur (German Edition)
zu brachialer Gewalt vom Motorgehäuse trennen wollte, zerbrach sie. Bei dem Hersteller, der immerhin noch existierte, erkundigte ich mich, was eine neue Pumpe kosten würde. 2300 Euro, erhielt ich zur Antwort. Sie war deshalb so teuer, weil sie nur in Einheit zusammen mit dem Motor lieferbar war: Die Krux bei diesem Gerät bestand in der wasserdichten Kopplung von Pumpengehäuse und Antriebsdrehstrommotor, der bei mir noch in Ordnung war. Deshalb sah ich auch nicht ein, einen neuen zu erstehen.
Natürlich hatte ich, der Rost wies darauf hin, die regelmäßige Wartung versäumt, diese Nachlässigkeit rächt sich irgendwann einmal. Aber ich fühlte mich auch herausgefordert zu untersuchen, ob sich nicht nur ein neues Pumpengehäuse an den alten Motor anflanschen ließ, ohne die gesamte Einheit von Motor und Pumpe neu kaufen zu müssen. Ein wenig fühlte ich mich an die typische Situation erinnert, wenn ein Autobesitzer in die Werkstatt kommt und erfahren muss, dass wegen eines defekten Auspuffkrümmers gleich der ganze Auspuff ersetzt werden soll. Oder wenn in einem Röhrenfernseher eigentlich nur der Zeilentrafo erneuert werden müsste, man aber von sogenannten Experten zu hören bekommt, dass gleich die gesamte Elektronenstrahlablenkeinheit ersetzt werden müsse. Natürlich ist dieses Beispiel im Zeitalter des Aussterbens von Röhrenfernsehern eher ein historisches, aber ich habe es so erlebt.
Erneut rief ich bei dem Unternehmen an und erklärte, ich würde gern nur die Pumpe kaufen, ohne Motor. „Aber wieso das denn? Dieses Produkt können Sie nur komplett erstehen“, erwiderte ein Mann am anderen Ende der Leitung, und auch die im Schwimmbecken befindliche Einlasseinheit sei mitzukaufen, getrennt gäbe es das nicht. Bei der Gelegenheit sei zudem zu überlegen, gleich eine neue Steuerung zu erstehen, natürlich für gewisse Extrakosten. Auf meinen Einwand hin, dass die Steuerung, die sich im Wesentlichen unter Wasser befindet und die außerhalb des Beckens liegende Pumpe einschaltet, doch vollkommen in Ordnung sei, murmelte mein Gesprächspartner etwas, das wie „Garantieübernahme“ klang. Aha, dachte ich, ein „guter“ Verkäufer, schön und gut, aber wo bleiben die ökologischen Bedenken, vollkommen intakte Teile auszuwechseln?
Da ich auf die „Garantieübernahme“ nichts erwiderte, setzte der Verkäufer das Telefonat fort: „Sie wollen also nur ein Ersatzteil in Form der Pumpe?“
„Genau, ich möchte ein Ersatzteil.“ Wir kamen der Sache schon näher, ich fühlte mich ein wenig besser verstanden.
„Gibt es nicht mehr. Zu alt.“
„Was heißt da zu alt?“, fragte ich nach.
„Wir haben inzwischen ein neues Modell.“
Aha, ein neues Modell. Aus meiner Sicht war das neue Modell der eigentliche Grund, warum ich daran gehindert werden sollte, das alte Gerät zu reparieren. Dessen Aufgabe, nämlich Wasser für die Gegenstromanlage umzupumpen, war aber exakt die gleiche geblieben wie vor zwanzig Jahren, als der Erbauer unseres Schwimmbads sie eingebaut hatte. Das interessierte die Firma, die diese Pumpen herstellte, aber wenig. Ich sollte gefälligst den Nachfolgetyp kaufen, der noch nicht einmal effizienter war alsdas Vorgängermodell, wie ich durch Nachfrage herausbekam. Es hatte schlichtweg ein Modellwechsel stattgefunden, der eine Inkompatibilität mit dem alten Motor zur Folge hatte: eine gewollte Inkompatibilität.
Ein wunderbares Gegenbeispiel für diese Erzeugung von Nichtreparierbarkeit ist die Küchenmaschine Mixi, wie sie meine Mutter vor fast fünfzig Jahren erstanden und laufend zur Zerkleinerung von Gemüse, zum Kneten von Teig oder zur Herstellung jener wunderbaren Bananenmilch benutzt hatte, deren Geruch mich heute noch daran erinnert, wie wir Kinder in der Küche auf das Ergebnis dieses kleinen Wundermixers warteten. Oder auf die Erdbeermilch aus den am Nachmittag von uns im Wald gepflückten Erdbeeren, unübertroffen im Aroma und im Geruch. Diese Küchenmaschine befindet sich bis heute im Gebrauch, und als der Dichtungsring, der das Glasgehäuse vom Motorrotor trennt, nach diesen vielen Jahren (Polymere degradieren, das weiß man) porös und damit defekt wurde, sah ich ein riesiges Problem der Reparatur auf mich zukommen, schließlich musste es schwer sein, an Ersatzteile eines Geräts aus den 50er Jahren zu gelangen. Aber dann kam die Überraschung: Bei der Untersuchung der Küchenmaschine entdeckte ich am Gehäuseboden nicht nur ein nach Jahrzehnten der Benutzung
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