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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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mehr zu zahlen haben, deren Langlebigkeit dies aber rechtfertigt.
    Solche Grundsatzentscheidungen des Tandems Industrie-Verbraucher haben natürlich auch Auswirkungen auf die Beschäftigung: Wer langlebige Güter herstellt, produziert möglicherweise weniger und schafft weniger Jobs. Stelle ich aber auf der anderen Seite kurzlebige Güter her, schade ich der Umwelt. Wir brauchen das richtige Maß, müssen in Zeiten der aufziehenden Vollbeschäftigung abwägen.
    Die ökologischen Folgen einer kurzen Lebensdauer von Produkten sind unter Umständen gravierend. Hinter unseren riesigen Müllbergen steckt zu einem großen Teil eine Aussage, die wir oft zu hören bekommen, wenn ein Produkt kaputtgeht: „Die Reparatur lohnt sich nicht mehr; das können Sie wegwerfen.“ Für Ressourcen und Umwelt ist es daher in jedem Fall besser, reparierbare und langlebige Produkte herzustellen. Der Verbraucher hat es in der Hand, diesen Trend zu setzen. Im Idealfall kommen wir irgendwann dahin, dass Produkte mit dem Hinweis beworben werden: Dieses Gerät lässt sich leicht reparieren.
    Erfinder der definierten Lebensdauerbegrenzung, der geplanten Obsoleszenz, soll übrigens der Amerikaner Alfred P. Sloan gewesen sein. In den zwanziger Jahren war er Präsident des US-Automobilkonzerns General Motors. In dieser Funktion ordnete er Veränderungen an Automobilen an, die den Kunden zum zeitigen Neukauf verführen sollten. Damit hatte er aber noch nicht die Strategie entwickelt, schon während des Produktionsprozesses Schwachstellen einzubauen, die zu einem ähnlichen Ziel führten. Das aber taten andere. Sie benutzten bewusst Rohstoffe, die von schlechterer Qualität waren, um die Produkthaltbarkeit zu vermindern. Heute werden Lebensdauerbegrenzungen eher eingebaut, um das betriebswirtschaftliche Optimum zu erreichen. In manchen Fällen wird der Verfall aber auch richtiggehend angeordnet: 2009 wurde die Abwrackprämie für Kraftfahrzeuge in Deutschland im Rahmen des Konjunkturpakets II eingeführt, einer staatliche „Umweltprämie“, bei der 2500 Euro gewährt wurden, wenn man seinen alten Pkw verschrotten ließ und im selben Jahr einen Neuwagen anmeldete.
    Die Obsoleszenz weckt im Gespann mit der Werbung in uns Verbrauchern Bedürfnisse, die ursprünglich nicht vorhanden waren: unter Jugendlichen etwa der Wunsch, immer mit dem neuesten Handy oder den angesagtesten Klamotten ausgestattet zu sein. Ein fragwürdiges Verhalten angesichts der auf unserer Erde lebenden Zahl von Menschen, bei denen nicht einmal die Grundbedürfnisse gestillt sind und die wir von unserer „wunderbaren“ Wohlstandswelt ausschließen. Menschen, die hungern, die nichts zum Anziehen besitzen, die keine Wohnung haben und keinen Zugang zu Bildung.

Langlebigkeit hat ihren Preis
    Seit ungefähr sechs Jahren bin ich Stammgast beim Sonntagsstammtisch , einer live ausgestrahlten wöchentlichen Sendung im Bayerischen Fernsehen. Helmut Markwort, Herausgeber des Focus , Dieter Hanitzsch und ich laden zwei Gäste ein, und es wird über Gott und die Welt geredet. Ein besonderer Moment ist immer die Frage unseres Moderators Markwort nach dem freudigsten und frustrierendsten Erlebnis der vergangen Woche. Während Dieter Hanitzsch als begnadeter Karikaturist zur Veranschaulichung stets ein Blatt Papier zur Hand nimmt, ist es für mich oft die Gelegenheit, ein technisches Exponat mitzubringen. In einer Sendung war es ein auf dem Freimanner Nachbarschafts-Flohmarkt erstandenes Handmassagegerät aus den sechziger Jahren. Meine Freude über dieses Gerät betraf nicht nur das gelungene Design – schon der Kasten, in dem es sich befindet, ein mit azurblauem Schlangenlederimitat überzogenes Köfferchen, aber auch der Handapparat aus Bakelit mit tiefroten Aufsteckbürsten zum Auswechseln sind absolute Hingucker.
    Modemacher Willy Bogner war in besagter Sendung zu Gast, und er interessierte sich noch nach ihrem Ende sehr für die Details der Verarbeitung, die exzellent waren, sah das Gerät doch, obwohl über fünfzig Jahre in Benutzung, fast wie neu aus. Zumindest funktionierte es noch einwandfrei. Design, Optik, Verarbeitung und technische Qualität, das sind ja auch für sein Sportunternehmen wichtige Kenngrößen. Als Hobbyflugzeugpilot versteht er zudem etwas von Technik. Seine Bemerkung, eine solche Wertarbeit sei ja heute kaum noch bezahlbar, veranlasste uns zu einer langen Diskussion über das Verhältnis von Preis und Langlebigkeit. Wenn ein Reißverschluss bei einer Jacke für

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