Die Kultur der Reparatur (German Edition)
ist das nicht mehr so. Ein gutes Zeichen. Immerhin wurde in unserer Reparaturrunde durch die disziplinenübergreifende Zusammensetzung der vielfach beklagte „Clash of Cultures“, die scheinbare Unüberbrückbarkeit von Natur- und Geisteswissenschaften, offensichtlich überwunden. Konkret äußert sich das in den lebhaftesten Diskussionen: über zu billige Herstellungsweisen, die Kurzlebigkeit der Produkte und die Frage, wie hoch man Preise bei Qualitätsprodukten ansetzen könne.
Meine Bianchi Aquilotto, der Mann vom Flohmarkt und ich
Es geht beim Reparieren gerade nicht darum, dass die Experten ihr Herrschaftswissen horten. Menschen wollen in aller Regel ihr handwerkliches Wissen an andere weitergeben, und zwar leidenschaftlich. Das habe ich häufig in meinem Leben erfahren, so auch, als ich meine Bianchi Aquilotto in Angriff nehmen wollte, mein Fahrrad mit Hilfsmotor aus dem Jahr 1942.
Ich liebe dieses Fahrrad, doch irgendwann fing es an, immer schlechter zu ziehen. Es schien, als hätte der Zweitaktmotor, der über eine Reibrolle auf den Hinterreifen wirkt, keine Kraft mehr. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich ihn wieder zum Laufen bringen sollte, nachdem ich einfache Ursachen ausgeschlossen hatte. Durch Zufall lernte ich dann auf einem Flohmarkt in Oberammergau einen älteren Herrn kennen. Er betrieb einen Stand, an dem er kleinere Maschinen und Maschinenteile verkaufte. Mir gefiel eine Art kleiner Schleifmotor. Was ich damit hätte anstellen sollen, hätte ich nicht sagen können, aber ich mochte die Machart, das Design und die einfache Mechanik. Anscheinend konnte der ältere Herr Gedanken lesen, denn er fragte: „Wissen Sie überhaupt, was das ist?“
„Na ja“, erwiderte ich, „so genau könnte ich es nicht sagen, aber mir gefälltes.“
„Aha, dann erkläre ich es Ihnen mal.“
Dabei stellte sich heraus, dass der Mann ein pensionierter Kfz-Meister war. Ich hatte einen richtigen Spezialisten vor mir, jemanden, der sich auskannte und sein Wissen mit großer Freude mit mir teilte. Unter Kollegen mit gleichem Wissensstand hätte man das wohl Fachsimpeln genannt, hier nahm sich eher ein Meister seines Lehrlings (der ich gerne wurde) an.
Das Gerät war, wie sich herausstellte, eine spezielle Schleifmaschine, mit spezifischer Auflagevorrichtung für Drehstähle, die durch Gebrauch stumpf geworden waren, und die man zum Einsatz in Drehmaschinen wieder scharf machen wollte. Also ein Reparaturgerät gewissermaßen. Als der Mann vernahm, dass ich eine solche Drehmaschine besaß, war er vollends begeistert, weil es sich um keine moderne, sondern eine ganz alte aus dem frühen letzten Jahrhundert handelte, die ich mal erstanden hatte, weil mir ihre Ästhetik so gefiel und sie noch mit Riemenantrieb arbeitete. So etwas kann man sonst nur noch in der historischen Werkzeugmaschinenabteilung, natürlich viel größer, im Deutschen Museum bewundern. „Was, Sie haben so eine alte Drehbank zu Hause? Was ist denn das für ein Modell?“
Immer intensiver kamen wir ins Gespräch. Kurzum: Noch während der Flohmarkt abgehalten wurde, packte er seine Sachen zusammen und fuhr mit zu mir nach Hause. Unbedingt wollte er sich meine Drehmaschine anschauen, und ich hatte jene Vorfreude, die Sammler ganz genau kennen, wenn sie ihre Schätze einem Gleichgesinnten präsentieren dürfen.
Nach unserer Ankunft betraten wir beide sofort meine Garage, und der einstige Kfz-Mechaniker bedachte meine Drehmaschine, ein amerikanisches Modell der Firma Southband aus den zwanziger Jahren, mit viel Lob. Doch hielten wir uns damit nicht lange auf, sogleich holte er die Schleifmaschine hervor, um meine Drehstähle zu bearbeiten. „Man muss halt mal gezeigt bekommen, wie es funktioniert. Früher zeigte es der Vater seinem Sohn, der Großvater seinem Enkel – jetzt zeige ich es Ihnen.“ Selbstverständlich kann man über die Bedienung solcher Maschinen auch schon einiges aus einem Buch erfahren, es geht aber nichts über eine Demonstration vor Ort. Denn man muss es schon sorgfältig und richtig machen, will man sein Werkstück nicht verschlimmbessern. Außerdem ist es sinnlicher, wenn man gemeinsam zuschauen kann, wie die Schleiffunken nur so wegspritzen. Natürlich haben wir uns anschließend an die Benutzung der Drehbank gemacht und Verschiedenes ausprobiert. Eine Brotzeit kam hinzu, es wurde spät, und wir hatten viel Freude.
Nachdem ich in die Geheimnisse des Drehstahlschleifens eingeweiht war, entdeckte er meine Bianchi
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