Die Kultur der Reparatur (German Edition)
Cafés ist dieser Reparaturclub auch eine gesellschaftliche Plattform, um sich nicht nur über defekte Geräte auszutauschen. Das gesellige Erlebnis fördert die Erkenntnis, dass auch andere Probleme durch Zusammenhalt zu lösen sind. Und was besonders interessant ist: Manchmal kommt man ins gemeinsame Philosophieren darüber, was die Technik der Zukunft uns bringen wird und wie schnell die Gesellschaft sich verändert. Was gut ist und bleiben soll und was einer Veränderung bedarf.
Neben Reparieren tun sie gut daran, auch durch Kaufentscheidungen in die „Marke Eigenbau“ zu investieren. Zwar sind selbst gemachte Kleidungsstücke, wenn man sie zum Beispiel auf einem Wochenmarkt ersteht, heute häufig eher teurer als die Produkte global operierender Billigmodeketten. Ziehen Sie bitte dennoch immer in Betracht, sie zu erwerben, gerade wenn sie auf lange Sicht etwas von „ihnen haben wollen“. Oder Sie versuchen sich eben selbst am kreativen Werkeln. Es lohnt sich.
Wenn Sie wieder selber reparieren können, nehmen Sie wahren Anteil an dem Produkt. Wenn ich die Ware erstehe, die irgendwo in Asien hergestellt wurde, bin ich den Gegenständen entfremdet. Ich habe kein Verständnis mehr, was den Kreislauf ihrer Entstehung betrifft, warum sie so und nicht anders funktionieren. Maximal macht man noch über die Bedienungsanleitung Bekanntschaft mit dem Produkt. Hat es dann einen leichten Fehler oder ist kaputt, wird es ohne weitere Überlegung weggeworfen, ersetzt. Es geht halt leider oft nicht anders.
Eine Kultur der Reparatur eröffnet einen emotionalen Zugang zu unseren Produkten. Wennich etwas selbst gebaut und hergestellt oder zumindest schon einmal erfolgreich repariert habe, werfe ich es nicht so einfach weg, wahrscheinlich nur im äußersten Notfall – selbst wenn das Ergebnis nicht gerade optimal ausgefallen ist. Im Gegenteil: Mit allen Mitteln versuche ich, diesen Gegenstand doch noch zu reparieren, zu erhalten, und wenn es nur ein schlichter Hammer ist.
Mein Aufruf zu einer Kultur der Reparatur hat nicht zum Ziel, Handwerker arbeitslos zu machen. Im Gegenteil. Er zielt darauf, uns alle wieder handlungsfähiger, autonomer zu machen, und darauf, Jugendliche wieder für handwerkliche Berufszweige zu begeistern. Ich betreibe hier gewissermaßen im Gegenteil Werbung für den Nachwuchs im Handwerk. Es ist in meinen Augen eine Tragödie, dass gerade in teuren Städten wie München immer mehr alteingesessene kleine Handwerksbetriebe aufgeben müssen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können oder kein Auskommen mehr finden. In lebendige Viertel sollten kleine Handwerksbetriebe in Zukunft wieder einziehen. Es liegt an uns Verbrauchern, ob sie das schaffen. Aber auch für jeden Ingenieur gilt: Er sollte den Handwerker in sich kennen, Dinge genau angeschaut und auch probiert haben, sie wieder zu reparieren. Nur wer herausgefunden hat, was das Problem bei einem Defekt ist, wird einen echten Zugang zu den grundlegenden mechanischen Vorgängen gewinnen, aufdenen unsere Kultur beruht. Dass dies so ist, mag man sich nur am Beispiel der Literatur überlegen, die es ohne das Buchdruckerhandwerk, ohne Gutenberg und Senefelder nicht gäbe.
Der Lohn der Reparatur
Gemeinschaft
Im vorigen Kapitel wurde der Aspekt der Gemeinschaft schon angesprochen. Gemeinschaftliches Reparieren habe ich in meinem Leben als ungeheuer gewinnbringend erfahren.
Z. B. sind Röhrenverstärker schon lange meine Leidenschaft, schließlich bin ich Radiosammler. Keineswegs jedoch habe ich sie von Anfang an alleine reparieren können. Auch heute hole ich mir oft Hilfe von Freunden, z. B. von Flohmarkttypen, wie ich sie nenne, deren Leben kennenzulernen ich als große Bereicherung empfinde, die mich erdet. Wenn ich meine eigene Reparaturbiografie betrachte, so ist sie ein Prozess, der als Learning by doing mit Fremdhilfe beschrieben werden kann. Gut, wenn man da Freunde, einen Kreis von Gleichgesinnten um sich hat, den man um Rat fragen kann. Nur so habe ich mich nach und nach an neue Dinge herangewagt. Und noch heute erfahre ich bei der Reparatur Hilfe von befreundeten Experten. Als ich damit begann, Musikboxen wie die Wurlitzer oder die Rock Ola zu sammeln, die natürlich nur mit Röhrenverstärker so wunderbar klingen, kam mir das besonders zugute.
Ich bezeichne Musikboxen auch gern als komplizierteste elektromechanische Maschinen, die ich noch selbst oder mit Freundeshilfe reparieren kann. Voraussetzung dafür war, dass ich mich mit
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