Die Kunst, anders zu leben
Minivans), die manchmal sogar noch mehr als 20 000 Euro kosteten. Ich hatte während meiner Jahre im Ausland das einfache, genügsame Leben schätzen gelernt und kein Bedürfnis, so viel Geld für ein Auto auszugeben. Aber die Welt zu sehen – zu dieser Investition brauchte ich mich nicht erst lange zu überreden.
Nachdem ich wieder in die USA zurückgekehrt war und zu studieren begonnen hatte, nutzte ich alle Semesterferien für Auslandsreisen. In meinem ersten Studienjahr bereiste ich so unterschiedliche Länder wie Burma, Ägypten, den Kosovo, Moldawien und Uganda. Je mehr ich reiste, umso mehr wurde mir das Unterwegssein zur zweiten Natur, und umso mehr lernte ich über das Billigreisen. Ich entwickelte mein persönliches System dafür, das auf Round-the-World-Tickets, einem großen Vorrat an Vielfliegermeilen und anderen Tricks besteht, mit denen ich die Kosten meiner Reisen so weit senken kann, dass ein Flug in ein beliebiges Land der Welt mich im Durchschnitt nicht mehr als etwa 300 Euro kostet.
Wie ich bereits in Kapitel 2 erwähnt habe, hat es einen großen Vorteil, sich hohe Ziele zu setzen: Wenn es uns mit diesen Zielen wirklich ernst ist, stellen wir häufig fest, dass sie sich innerhalb kürzerer Zeit erreichen lassen, als wir ursprünglich gedacht hatten. Zumindest auf mein 100-Länder-Ziel traf das voll und ganz zu. Für eine meiner ersten Reisen buchte ich ein »Circle Pacific«-Ticket, mit dem ich von den Vereinigten Staaten aus mehrere asiatische Länder besuchen konnte: Ich kam im Norden Asiens (China, Korea oder Japan) an, reiste dann mit ein paar Zwischenstopps (Vietnam, Hongkong, Singapur) quer durch Asien und kehrte über die Südroute (Australien oder Neuseeland) nach Hause zurück. Bei meinem zweiten Zwischenstopp in Hongkong fuhr ich mit der Fähre nach Macao, einem anderen chinesischen Territorium. Nach einstündiger Fahrt holte ich meine alten Notizen zu meinem 100-Länder-Plan hervor. Inzwischen hatte ich schon ungefähr 80 verschiedene Länder bereist, und dabei war es erst zwei Jahre her, dass ich mir mein 100-Länder-Ziel gesetzt hatte.
Ich reise nicht, um an einen Ort zu gelangen, sondern um unterwegs zu sein. Ich reise um des Reisens willen. Es kommt darauf an, in Bewegung zu sein.
ROBERT LOUIS STEVENSON
Da kam mir eine Idee: Warum sollte ich nicht alle 192 Länder der Welt bereisen, statt mich auf 100 zu beschränken? Bis zur Ankunft meiner Fähre in Macao versuchte ich zu planen, wie eine solche »Weltumrundung« aussehen könnte und wie lange sie dauern würde. Eines der Dinge, die ein Ziel von einem Traum unterscheiden, ist ein fester Termin; also gab ich mir Zeit bis zu meinem 35. Geburtstag – bis dahin hatte ich damals noch knapp fünf Jahre Zeit. Während meines Bummels durch Macao schwirrte mir der Kopf. Würde ich es schaffen, bis dahin alle 192 Länder besucht zu haben? Was sollte ich tun, wenn irgendetwas schieflief oder mir das Geld ausging?
Nach meiner Rückkehr in die USA überlegte ich mir die Sache noch ein paar Wochen lang und sprach auch mit meiner Familie darüber. Dann beschloss ich, die 192 Länder zu meinem offiziellen Ziel zu erheben. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt Sie dieses Buch lesen, bin ich entweder immer noch unterwegs oder erreiche allmählich die letzte, schwierigste Etappe meines Ziels. Ich habe in letzter Zeit viele interessante Länder besucht (unter anderem Syrien, den Irak, Pakistan, die Mongolei und Swasiland), aber von 100 auf die vollen 192 zu kommen, wird allmählich immer komplizierter, weil ich ja von Land zu Land »hüpfen« muss.
Zurzeit lebe ich an der Nordwestküste der USA, aber mein Zuhause ist lediglich meine Unterkunft in den Zeiten, in denen ich gerade nicht den Rest der Welt durchstreife. Und ich fühle mich auch in manchen Teilen Asiens, Afrikas und Europas wie zu Hause. Vor Kurzem wurde mir klar, dass ich mit meiner Reisetätigkeit noch ein weiteres wichtiges Ziel erreicht habe, das ich mir eigentlich nie offiziell gesetzt hatte: Inzwischen steht mir praktisch die ganze Welt offen. Ich komme in Ländern an, in denen ich noch nie gewesen bin, und finde mich dort instinktiv sofort zurecht. Und ich habe inzwischen auch an verschiedenen Orten auf allen fünf Kontinenten, die ich öfter besuche, ein Gefühl des Nach-Hause-Kommens, wenn ich wieder einmal dorthin reise.
Wenn Sie ein solches Nomadenleben interessant finden, glaube ich, dass auch Ihnen eines Tages die ganze Welt offenstehen kann. Das hat nicht nur etwas
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