Die Kunst des guten Beendens
verkörpern Königin und König Weisheit, Reichtum, Macht und Geheimnis. Gleichzeitig bewegen sichKönigin und König im sehr menschlichen Bereich von Anziehung und Abstoßung, Bindung und Beziehung, List und Verführung, Erfüllung und Frucht des Leibes.
Und die hier berechtigte Frage für uns Nachfahren ist jene, ob sich Königin und König im Feld einer reifen, intersubjektiven Beziehung befinden. Ob wir diesbezüglich etwas lernen können aus dieser Geschichte, die ja nie eine eindeutige, sondern seit Jahrtausenden eine mehrdeutige ist.
Rätsel sind im Orient ein wichtiger Teil der mündlichen Überlieferung. Die Klugheit der Königin von Saba und die Weisheit des Königs Salomo manifestieren sich in den überlieferten Rätseln, die die Königin dem König stellte und die er allesamt zu beantworten wusste. Die Frau ist nicht Frau, sondern »die Welt«, und der König ist nicht »wie der Rest der Menschen«, sondern eben der Weise. Hier können sich Größenphantasien von Menschen ungehindert entfalten und Menschen können daran teilhaben, »die Welt« zu sein. Und gerade diese mögliche Teilhabe wird es sein, die Menschen phantasieren und die sie auch sich selbst in überhöhter Weise sehen lässt – übrigens ein deutliches Kennzeichen von Verliebten.
Wir stellen uns anhand der mannigfaltigen künstlerischen Darstellungen die Königin von Saba und König Salomo bei himmlischen Essgenüssen, in tiefgründigen Gesprächen und bei spannendem, erfüllendem Sex vor. Denken wir an die oben dargestellten Erfahrungsmuster, sind alle vier Formen dabei beteiligt: gelingende emotionale und sexuelle Intimität als vorsymbolische Muster des gemeinsamen Tuns und der affektiven Durchlässigkeit; auf der symbolischen Ebene das bewusste und unbewusste Verständnis füreinander, wechselseitige Bezogenheit und Anerkennung im jeweiligen Mit-dem-anderen-Sein und der Intersubjektivität. Das virtuose Spiel mit allen vier Erfahrungsmustern ist ein Faszinosum, bedeutet Liebe und Erfüllung, und es ist ungeheuer attraktiv in der unmittelbaren Erfahrung bzw. im mittelbaren Teilhaben als Künstler, als Bewunderer. Auch als Fan, sind dochheute die Stars aller Art zu den Nachfolgern der Königinnen und Könige geworden. Wie die Presse und insbesondere die Klatschpresse zeigt, sind viele Menschen an deren realem oder vermeintlichem Liebesleben, deren Trennungen und neuen Lieben intensiv interessiert.
Froschkönig und Königstochter müssen sich sehr menschlich, sehr irdisch mit ihren Phantasien auseinandersetzen. Der Froschkönig ist eines der bekannten Märchen der Gebrüder Grimm. Eine wunderschöne Königstochter spielt am liebsten mit ihrem goldenen Ball, im Wald, am Brunnen. Eines Tages fällt der Ball in den tiefen Brunnen. Die Prinzessin weint laut und ist untröstlich. Ein dicker, hässlicher Frosch, der aus dem Brunnen auftaucht, verspricht ihr, den Ball zu holen, stellt aber Bedingungen. Und sie verspricht ihm alles, was er wolle, wenn er ihr nur die goldene Kugel wiederbringe. Der Frosch will ihr Geselle und Spielkamerad werden, von ihrem goldenen Tellerchen essen und aus ihrem goldenen Becherlein trinken – und er will auch in ihrem Bettchen schlafen ( mit dem anderen sein ).
Die Prinzessin springt fort mit ihrer goldenen Kugel. Als sie am nächsten Tag beim Essen sitzt, kommt der Frosch daher, plitsch, platsch, plitsch, platsch, und erinnert die Königstocher an ihr Versprechen. Und der Königsvater zwingt die Tochter, ihr Versprechen zu halten.
Der Königstochter graust es. Und als der Frosch schließlich verlangt, in ihrem Bett zu schlafen, »ward sie erst bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn aus allen Kräften wider die Wand: Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch.« Es ist ein Beenden mit Wucht. Was dann von der Wand fällt, ist ein Königssohn, der von einer Hexe verzaubert worden war. Und im Märchen kann nur eben diese Königstochter in ihrer psychischen Bedürftigkeit und mit ihren symbiotischen Wünschen ihn erlösen.
Hans Jellouschek (2006) hat eine aufschlussreiche psychologische Interpretation dieses Märchens geschrieben, die den Weg von der unreifen (ich liebe dich, weil ich dich brauche)zur reifen Liebe beschreibt (ich brauche dich, weil ich dich liebe). Es ist ein Entwicklungsprozess, der immer auch Beendigung und Neubeginn impliziert.
Ich möchte mich im Folgenden auf jene Aspekte des Märchens konzentrieren, die mit dem Thema des Beendens zu tun haben.
Der bedürftige Frosch-Mann will der
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