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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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verstrickt und verklammert zu sein. Schnarch (2006) spricht von der Notwendigkeit der selbst-bestätigten Intimität anstelle der Bestätigung durch den Partner, sei es in einer Paarbeziehung oder in einer Liebesaffäre. Für ihn gilt der größte Vertrauensbeweis in einer Beziehung nicht dem Partner, sondern sich selbst bzw. den eigenen Fähigkeiten, mit Ängsten umzugehen, sich selbst zur Ruhe zu bringen und zu trösten. Er empfiehlt, den Partner nicht mehr zu lieben als was durch diese Fähigkeiten ausgeglichen werden kann. 25
    In diesem Sinn kann eine Liebesaffäre eine Möglichkeit zur Individuation, zur Selbstwerdung bedeuten. Das Mögliche und Wünschbare kann dadurch neu bewertet werden. Es gibt heute eine wachsende Tendenz bei Paartherapeuten, mit einem aufgeschlossenen, flexiblen Ansatz an diese Fragen heranzugehen und eine doppelte Empathie zu versuchen: dieEmpathie dafür, in einer Partnerschaft Liebe und Begehren neu zu fördern, wie auch jene, die Sehnsüchte nach einer Affäre bzw. nach neuem Begehren zu verstehen. Das mögliche Beenden der Partnerschaft oder der Liebesgeschichte steht nicht mehr im Mittelpunkt. Vielmehr gilt es, bei einem Paar das stets prekäre Gleichgewicht zwischen Getrenntheit und Zusammengehörigkeit, Vorhersehbarkeit und Neuem, Sicherheit und Begehren sowie Transparenz und Geheimnis immer wieder neu auszubalancieren.
    Die Phantasien um die Königin von Saba und den König Salomo, das Ringen von Prinzessin und Froschkönig und das Geheimnis der Vereinbarung von Beziehung und Begehren lassen die Komplexität und auch das Mysterium von erwachsenen Bindungs- und Trennungsmustern und Liebesphantasien erkennen.
Was ein Beenden erschweren und verhindern kann
    Zwischen uns liegt so etwas wie ein Nebel, eine Zone von Fremdheit, die von der Geschichte zurückgelassen worden ist, und das Trennende dabei sind die unterschiedlichen Erfahrungen.
    Jürgen Becker

    Beenden findet nie in einem luftleeren Raum statt, sondern in einem spezifischen persönlich-biografischen, psychosozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Rahmen. Persönlich sind die frühkindlichen Bindungsmuster meistens prägend. Je unsicherer sie sind, desto schwieriger wird es, jemals etwas zu beenden. Die Angst davor, allein zu sein, ist sehr groß, vielleicht zu groß. Doch auch die allgemein erhöhte Geschwindigkeit des sozialen Lebens ist in ihrer Prägung des jeweiligen Beendens nicht zu unterschätzen.
    Beziehungen sind kurzlebiger geworden. Trennungen sind nicht mehr verboten und nicht mehr unmöglich. Sie sindmöglich und legitim. Andere leben es vor. Man wird nicht geächtet. Vielleicht wird man sogar bewundert: was, du hast das geschafft? Es gibt überdies auch gewisse unbewusste oder bewusste Vorbildsmuster: Wer bei seinen Eltern eine Trennung und Scheidung erlebt hat, ist Untersuchungen zufolge eher zu einer Trennung bereit. Es wurde gewissermaßen vorgelebt, dass man eine Trennung überleben kann.
    Eine damit verbundene weitere Rahmenbedingung ist die beschleunigte Veränderung von Identitäten: wir leben im Zeitalter des flexiblen und mobilen Menschen. Sowohl persönlich als auch beruflich wird heute von Individualisierung gesprochen, von der Patchwork-Identität von mehreren Beziehungen, mehreren Berufen. Der einzelne Mensch ist nicht mehr eindeutig, sondern vielfältig, er ist nicht mehr ein Einziger, sondern viele.
    Zudem erleben wir eine forcierte Ökonomisierung und (Erfolgs-)Kontrolle der gesellschaftlichen Bereiche. Der Einzelne muss sich ständig situieren und kontrollieren.
    Die Länge von Psychotherapien wird durch die Krankenkassen geregelt; verlangt wird eine kurze und wirksame Therapie. Beendet wird, wenn das Stundenkontingent erschöpft ist. Weniger soll mehr sein.
    Wenn ein Beenden von äußeren, sozialen oder ökonomischen Faktoren erzwungen wird, ist kein individuelles bewusstes Beenden möglich. Damit wird aus psychologischer Sicht eine Entwicklungschance vertan, nämlich die Möglichkeit, an Ambivalenzen, Ängsten und Konflikten zu arbeiten und zu wachsen. Und die Chance, schließlich den eigenen Rhythmus und die eigene Form eines Beendens zu finden und zu realisieren.
    Im Berufsleben ist das heutzutage gängige »Hire and fire« – anstellen und entlassen bzw. anheuern und feuern – fatal für die psychische Entwicklung der betroffenen Menschen. Wenn entscheidende Veränderungen von außen aufgedrängt werden, wird es schwierig, sie seelisch zu verarbeiten. Die eigene Würde steht auf dem

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