Die Kunst des guten Beendens
Königstochter in ihrem Schmerz um die goldene Kugel helfen. So hofft er, geliebt zu werden. Er will eine symbiotische Beziehung, eine Liebe wie zwischen Mutter und Kind, bedingungslose Nähe. Die Königstochter verspricht ihm unbedacht »alles« und rennt davon – es ist kein Beenden, sondern ein Abbruch. Doch der Frosch verfolgt sie hartnäckig und der Königsvater zwingt seine Tochter zur Einhaltung ihres Versprechens dem Froschkönig gegenüber. Eine Mutter kommt im Märchen nicht vor. Das Mütterliche, Haltende fehlt bei beiden, bei der Königstochter und beim Frosch.
Im Frosch(-Mann) und in der Prinzessin(-Frau) begegnen sich zwei bedürftige Kinder, die sich Erlösung wünschen – auf je unterschiedliche Weise. Beide sind sie gefangen in ihren ungestillten Bedürfnissen nach Nähe und Verschmelzung: der Froschkönig in seiner Gier und die Prinzessin in ihrem Ekel, in ihrer Abneigung gegenüber dem Frosch und in ihrer Sehnsucht, die sich in der goldenen Kugel äußert. Und dann schmettert die Königstochter den Frosch mit allen Kräften an die Wand. Sie stellt sich ihrer dunklen Seite, schlägt zu und übertritt damit das Gebot ihres Vaters. Sie wagt, ungehorsam zu sein und zu verletzen. Damit steht sie zu sich selbst.
Es stellt sich heraus, dass sie dem Frosch nicht hilft, sich zu verwandeln, indem sie ihm seine Wünsche erfüllt, sondern indem sie ihm diese versagt. Indem sie ihn zwingt einzusehen, dass er nicht erschleichen kann, was er nicht freiwillig erhält (von der Königstochter; früher wahrscheinlich von der Mutter). Auch er beendet ein altes symbiotisches Muster. Beide sind gemeinsam einen Entwicklungsweg gegangen. Im Märchen werden die beiden zum glücklichen Paar.
Im Leben kann es auch sein, dass sich eine Beziehung darin vollendet, dass die beiden diesen Entwicklungsweg gegangen sind. Der Frosch ist nun Mann, und die Königstochter Frau geworden. Einander als Königssohn bzw. junger König und Königstochter bzw. junge Königin gegenüberzustehen, bedeutet die Begegnung von zwei verschiedenen, insofern getrennten und eigenständigen Personen ( Intersubjektivität ). Erst wenn man sich als selbständige bzw. getrennte Menschen erlebt, kann man sich begegnen. Wenn man sich selbst besitzt, dann kann man sich einem anderen Menschen schenken.
Wir haben es hier mit einem Märchen zu tun, das einen märchenhaften Abschluss beinhaltet. Alles wird gut, das Paar ist glücklich und kann seine symbiotischen Wünsche ein für alle Mal hinter sich lassen. Im Leben sieht es in der Regel anders aus. Die unreifen Froschkönig-Prinzessin-Aspekte beider Partner können sich in schwierigen Beziehungssituationen wieder manifestieren und eine weitere Runde bzw. weitere Runden von schmerzlichem Loslassen und neuem Wiederfinden notwendig machen. Die Entwicklung und Reifung einer Liebesbeziehung ist, wenn sie weiter besteht, nie abgeschlossen.
Zum Umgang mit Liebesgeschichten
Liebesgeschichten sind im Leben jedes Menschen der intimste Bereich. Sie ist zugleich auch der Lebensbereich, in dem Menschen am verletzlichsten sind. Wenn wir eine Mutter im liebenden Kontakt mit einem Säugling betrachten, antizipieren wir einen Bereich des Liebesspiels zwischen erwachsenen Menschen. Es lässt sich immer wieder beobachten, dass es für ein Kind fast immer das Wichtigste ist, die Eltern glücklich machen zu wollen. Viele Kinder scheitern an dieser Aufgabe, tun zu viel für die Eltern, werden verletzt und zurückgewiesen. Es ist auch nicht die Aufgabe von Kindern, ihre Eltern glücklich zu machen. Dies ist die Aufgabe der Eltern, dafür müssen sie selbst sorgen und tun es oft nurungenügend. Ein Kind wird geboren, um sein eigenes Leben zu leben, um sich selbst und sein Glück zu finden, um seinen ureigensten Weg zu gehen, also vom »Mit-dem-anderen-Sein« zur Autonomie und Intersubjektivität zu finden.
Der Sinn einer Liebesgeschichte im Erwachsenenalter besteht darin, sich selbst und dem anderen die Selbst- und die Menschwerdung, das Wachsen und die Erfüllung zu ermöglichen ( Intersubjektivität) . Das ist die Aufgabe jedes Paares, sei es freundschaftlich oder liebend miteinander verbunden.
Im Folgenden geht es um eine besondere Art von Liebesgeschichten, nämlich um jene, die sich im Bereich des Unmöglichen und Verbotenen abspielen: sogenannte Liebesaffären. Sie setzen in der Regel mindestens eine bestehende Partnerschaft voraus und intensive erotische, oft sexuelle Kontakte, die einmalig, über kürzere oder über
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