Die Kunst des guten Beendens
Erlebensmuster von Erwachsenen vorstellen. Sie machen verständlich, wie seelische Erfahrungen strukturiert, Situationen bewältigt und Bindungen zu Beziehungen entwickelt bzw. abgebrochen werden können. Wie alle Typologien reduzieren und vereinfachen sie die komplexe Wirklichkeit. Gerade dadurch schärfen sie jedoch den Blick für das Erkennen von Mustern des Erlebens – und des Beenden-Könnens. 22
Gemeinsames Tun: Interaktions- und Verhaltensmuster werden gemeinsam durch konkretes Handeln, in gegenseitiger Beeinflussung, erzeugt. Prototypisch ist das Beispiel von Mutter und Kind. Die Verhaltenschoreographie ist vorbewusst oder unbewusst. Sie wird als vorsymbolisch bzw. vorreflexiv bezeichnet, weil sie ohne eine Vorstellung von sich selbst und vom anderen als unabhängigen Wesen abläuft. Was geredet und ausgetauscht, nicht geredet und vorenthalten wird, geschieht einfach.
Beenden oder nicht: Das gemeinsame Tun verbindet. Es gibt impulsive Abbrüche, die kaum reflektiert und verstanden werden können. Es wird wenig geredet und zugehört. Es findet kein bewusstes Beenden einer Beziehung statt.
Affektive Durchlässigkeit: Hier geht es um das Wahrnehmen, Erleben und Teilen von intensiven Gefühlen. Gefühle sind ansteckend und können durch die hohe Resonanz zwischen Menschen hervorgerufen werden. Das Gefühl der symbiotischen Einheit, der Verschmelzung ist vorherrschend, insbesondere bei starken, mit Sinnesempfindungen verknüpften Gefühlen wie sexuelle Anziehung, Furcht, Wut oder freudigeErregung. Es sind die geteilten Emotionen, das heißt die affektive Durchlässigkeit, die (vorsymbolisch) verbinden, und nicht die Wahrnehmung von sich selbst und dem anderen als eigenständige Wesen. Man braucht einander, um gemeinsame intensive Gefühle zu erleben.
Beenden oder nicht: Die geteilten Emotionen verbinden. Wenn sie nicht mehr geteilt werden, erlöschen Anziehung und Liebe. Trennung bzw. Abbruch werden denkbar und möglich. Im Bindungsmodus der affektiven Durchlässigkeit begegnen sich noch nicht zwei eigenständige Menschen. Ein bewusstes Beenden einer Beziehung ist erschwert, es kommt eher zu Trennung oder Abbruch, was man als affektive Undurchlässigkeit bezeichnen kann.
Mit dem anderen sein: Der andere Mensch wird in der Nachfolge von Mutter, Vater, Geschwistern sozial und emotional gebraucht und deshalb geliebt (ich liebe dich, weil ich dich brauche). Die frühen Identifikationen wirken ein Leben lang in unbewussten und wenig bewussten Prägungen und Inszenierungen nach. Sie können sich jedoch verändern.
Der andere Mensch hat eine eigenständige symbolische Repräsentanz, die sich unter dem Aspekt bestimmter Funktionen – wie der des Spiegelns, der Erregung, der Befriedigung, der Liebe, der Wertschätzung – manifestiert.
Beenden oder nicht: Die andere Person wird emotional gebraucht und deshalb geliebt. Wenn sie nicht mehr gebraucht wird oder eine andere Person mehr zu bieten scheint, können Trennungsphantasien auftreten bzw. kann eine Beziehung beendet werden.
Intersubjektivität : Sie bedeutet eine wechselseitige Anerkennung selbstreflexiver und autonomer Personen. Die Personen werden seelisch als eigenständige Wesen erfahren. Das Handeln geschieht selbstreflexiv und intentional (Dinge überdenken und Dinge tun). Man ist sich in der Unabhängigkeit der Abhängigkeit von anderen Menschen bewusst bzw. Menschen entwickeln sich in der Bezogenheit zu anderen Menschen gleichzeitig zu ihrer Einzigartigkeit. Der anderewird um seiner selbst willen geliebt und nicht, weil man ihn braucht.
Beenden oder nicht: Die Beziehung beruht auf Freiwilligkeit und Gleichwertigkeit. Eine Person darf sich trennen. Sie darf auch bleiben. Sie braucht den anderen, weil sie ihn liebt. Sie kann auch allein sein. Sie kann damit zu spielen lernen, wie viel Trennung oder Bindung sie braucht, um bei sich selbst zu bleiben und sich selbst zu spüren. Eine mögliche Trennung geschieht einvernehmlich.
Mithilfe dieser Erfahrungsmuster können Bindung und Trennung/Beenden auf zwei verschiedene Arten verstanden werden:
Menschen bewegen sich in ihrem Erleben im gelingenden Fall in allen vier Mustern, die ihrerseits nicht immer trennscharf sind. Das Wählen- und Wechseln-Können zwischen den Mustern macht einen Menschen einzigartig und eigenständig. Eine reife, anerkennende Beziehung zwischen zwei eigenständigen Menschen ist grundlegend im Muster der Intersubjektivität repräsentiert. Je nach Situation (Spiel, Sexualität,
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