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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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anorganischen Wesen haben dich und Carol Tiggs arg hereingelegt, auf eurer letzten Reise, indem sie euch halfen, totalen Zusammenhalt bei einer großen Verlagerung zu erreichen«, sagte Don Juan. »Sie verschoben euren Montagepunkt an die weitestmögliche Stelle. Dann halfen sie euch, dort wahrzunehmen, als ob ihr noch in der Alltagswelt wäret. Etwas, das beinah unmöglich ist. Um auf diese Art wahrzunehmen, braucht ein Zauberer praktisches Wissen oder einflußreiche Freunde.
    Deine Freunde hätten dich wohl am Ende betrogen. Sie hätten es dir und Carol selbst überlassen, praktische Kenntnisse zum Überleben in dieser Welt zu erlernen. Ihr beide wäret schließlich randvoll gewesen von solchen praktischen Kenntnissen, genau wie jene hochgelehrten Zauberer der Vorzeit. Jede große Verlagerung funktioniert nach einem anderen inneren Ablauf«, fuhr er fort. »Dies könnten die modernen Zauberer lernen, wenn sie den Montagepunkt bei einer größeren Verlagerung lange genug fixieren könnten. Nur die alten Zauberer hatten das spezielle Wissen, das dafür erforderlich ist.« Die besonderen Verfahren bei solchen Verlagerungen, fuhr Don Juan fort, hätten die acht Naguals, die dem Nagual Sebastian vorangingen, noch nicht gekannt: dann aber habe der Mieter den Nagual Sebastian gelehrt, totale Wahrnehmung in zehn neuen Positionen des Montagepunkts zu erreichen. Der Nagual Santisteban erhielt sieben solcher Positionen, der Nagual Lujan fünfzig, der Nagual Rosendo sechs, der Nagual Elias vier, der Nagual Julian sechzehn, und er selbst bekam zwei gezeigt. Das mache insgesamt fünfundneunzig spezifische Positionen des Montagepunkts, die in seiner Linie bekannt seien. Falls ich ihn fragte, so meinte er, ob er dies als Vorteil für seine Linie betrachte, so müsse er sagen, nein, weil die Last dieser Gaben sie der Daseinslage der alten Zauberer näherbringe.
    »Jetzt bist du an der Reihe, den Mieter zu treffen«, sagte er.
    »Vielleicht werden die Geschenke, die er dir gibt, unser Wissen ganz aus dem Gleichgewicht bringen, und unsere Linie wird in das Dunkel stürzen, das den alten Zauberern den Garaus bereitete.«
    »Das klingt so schrecklich gefährlich, es macht mich ganz krank«, sagte ich.
    »Ehrlich, ich kann mit dir fühlen«, antwortete er mit ernstem Gesicht. »Ich weiß, es ist kein Trost für dich, wenn ich sage, daß dies die härteste Probe für einen modernen Nagual ist. Mit etwas so Altem und Geheimnisvollem wie dem Mieter zusammenzutreffen, finde ich nicht ehrfurchtgebietend, sondern abstoßend. Für mich wenigstens war es das, und ist es noch immer.«
    »Warum muß ich da weitermachen, Don Juan?«
    »Weil du, ohne es zu wissen, die Herausforderung des dem Tode Trotzenden angenommen hast. Im Verlauf deiner Lehrzeit habe ich eine Einwilligung von dir verlangt, genau wie mein Lehrer mir - heimlich - eine abverlangte.
    Ich habe denselben Schrecken durchgemacht, nur etwas härter als du jetzt.« Er kicherte. »Der Nagual Julian hatte eine Vorliebe für makabre Scherze. Er erzählte mir, es gäbe da eine sehr schöne und leidenschaftliche Witwe, die unsterblich in mich verliebt sei. Der Nagual nahm mich häufig mit zur Kirche, und ich hatte diese Frau gesehen, die mich anstarrte. Ich fand, sie sah gut aus. Und ich war ein geiler Bursche. Als der Nagual sagte, daß sie mich wollte, fiel ich darauf herein. Mein Erwachen war grausam.« Ich bemühte mich, nicht laut herauszulachen über Don Juans Miene verlorener Unschuld. Dann kam mir die Vorstellung seiner mißlichen Lage nicht mehr spaßig, sondern abscheulich vor. »Bist du sicher, Don Juan, daß diese Frau der Mieter ist?« fragte ich - in der Hoffnung, es möge ein Irrtum oder ein schlimmer Scherz sein »Ich bin mir ganz, ganz sicher«, sagte er.
    »Aber selbst wenn ich so dumm wäre, den Mieter zu vergessen, könnte mein Sehen mich nicht betrügen.«
    Willst du damit sagen. Don Juan, daß der Mieter eine andere Art von Energie hat?«
    »Nein, nicht eine andere Art Energie, aber gewiß eine andere Energie-Konfiguration, als ein gewöhnlicher Mensch sie hat.«
    »Bist du absolut sicher, Don Juan, daß diese Frau der Mieter ist?« beharrte ich, getrieben von sonderbarer Abscheu und Furcht.
    »Diese Frau ist der Mieter!« sagte Don Juan mit einer Stimme, die keinen Zweifel mehr duldete.
    Wir schwiegen. In unbeschreiblicher Panik erwartete ich den nächsten Schritt.
    »Ich sagte dir schon, daß die Position des Montagepunktes darüber entscheidet, ob jemand von Natur

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