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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Augenblick.«
    »Ich weiß, es war die Vergangenheit. Es war dieselbe Kirche, aber die Stadt war anders.«
    »Denk einmal nach. Im Universum gibt es nur Energie. Und Energie kennt nur ein Hier und Jetzt: ein endloses und immer gegenwärtiges Hier und Jetzt.«
    »Was glaubst du also. Carol. ist mit mir passiert?«
    »Mit Hilfe derer, die dem Tode trotzt, hast du die vierte Pforte des Träumens durchschritten«, sagte sie.
    »Die Frau in der Kirche nahm dich mit in ihren Traum, in ihre Absicht. Sie nahm dich mit in ihr Visualisieren dieser Stadt. Offenbar hatte sie die Stadt in
    der Vergangenheit visualisiert, und dieses Visualisieren ist noch immer intakt in ihr. Wie auch ihre Visualisierung der jetzigen Stadt in ihr lebendig sein muß.«
    Wir schwiegen lange, dann stellte Carol eine weitere Frage: »Was hat die Frau sonst noch mit dir gemacht?«
    Ich erzählte Carol von dem zweiten Traum. Dem Traum von der Stadt, wie sie heute aussieht.
    »Da haben wir's«, sagte sie. »Nicht nur hat die Frau dich in ihre frühere Absicht mitgenommen, sondern sie half dir auch, die vierte Pforte zu durchschreiten, indem sie deinen Energiekörper in eine andere Stadt reisen ließ, die heute existiert - nur eben in ihrer Absicht.«
    Carol wartete ab. dann fragte sie mich, ob die Frau in der Kirche mir erklärt habe, was das Beabsichtigen in der zweiten Aufmerksamkeit bedeute.
    Wohl erinnerte ich mich, daß sie davon gesprochen hatte, ohne mir aber eigentlich zu erklären, was es bedeute, in der zweiten Aufmerksamkeit zu beabsichtigen. Carol hantierte hier mit Begriffen, über die Don Juan noch niemals gesprochen hatte. »Woher hast du all diese neuen Ideen?« fragte ich, echt erstaunt darüber, wie klarsichtig sie war.
    In beiläufigem Ton versicherte Carol. die Frau in der Kirche habe ihr eine Menge über solche Feinheiten beigebracht. »Wir beabsichtigen gerade jetzt in der zweiten Aufmerksamkeit«, fuhr sie fort. »Die Frau in der Kirche ließ uns einschlafen. Dich hier, mich in Tucson. Und dann schliefen wir noch einmal ein. in unserem Traum. An diesen Teil erinnerst du dich nicht, aber ich wohl. Das Geheimnis der Zwillingspositionen. Erinnerst du dich, was die Frau dir sagte? Der zweite Traum ist das Beabsichtigen in der zweiten Aufmerksamkeit: die einzige Art. die vierte Pforte des Träumens zu durchschreiten.«
    Nach langer Pause, während ich kein Wort hervorbringen konnte, sagte sie: »Ich glaube, die Frau in der Kirche hat dir wirklich ein Geschenk gemacht: auch wenn du keines annehmen wolltest. Ihr Geschenk war. daß sie ihre Energie mit der unseren verband, um sich rückwärts und vorwärts im energetischen Hier und Jetzt des Universums zu bewegen.«
    Ich war außer mir vor Erregung. Carols Worte waren so exakt, so zutreffend. Sie hatte mir etwas definiert, was ich für undefinierbar hielt, auch wenn ich nicht wußte, was es sei, das sie da definiert hatte. Hätte ich mich bewegen können, ich wäre aufgesprungen und hätte sie umarmt. Sie lächelte selig, während ich weiterhin drauflos schwatzte, wie einsichtig ihre Worte mir wären. Pathetisch verkündete ich, Don Juan hätte mir nie etwas ähnlich Bedeutsames gesagt.
    »Vielleicht weiß er es nicht«, sagte Carol - aber nicht vorwurfsvoll, sondern versöhnlich.
    Ich wollte ihr nicht widersprechen. Ich schwieg eine Weile, sonderbar gedankenleer. Dann brachen Wörter und Gedanken aus mir hervor, wie aus einem Vulkan. Leute, die um die Plaza spazierten, starrten uns an oder blieben vor uns stehen und beobachteten uns. Welch einen Anblick mochten wir bieten! Carol Tiggs, die mein Gesicht küßte und liebkoste, während ich unentwegt drauflos schwatzte über ihre Klarsicht und über meine Begegnung mit der, die dem Tode trotzte.
    Als ich wieder laufen konnte, führte sie mich über die Plaza zu dem einzigen Hotel in der Stadt. Sie überzeugte mich, daß ich noch nicht genug Energie hätte, um den Weg bis zu Don Juans Haus zu gehen; daß aber alle anderen wüßten, wo wir uns befanden. »Wie können sie wissen, wo wir uns befinden?«
    »Der Nagual ist ein sehr tüchtiger alter Zauberer«, antwortete sie lachend. »Er war es, der mir sagte, falls ich dich in einem Zustand beschädigter Energie vorfände, sollte ich dich lieber ins Hotel bringen, statt das Risiko einzugehen und dich durch die ganze Stadt zu schleppen.«
    Ihre Worte und besonders ihr Lächeln brachten mir solche Erleichterung, daß ich in seliger Beschwingtheit weitermarschierte. Wir gingen um die Ecke, zum

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