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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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erreichen und durchschreiten, ködern sie solche Wesen und zwingen sie, zu erscheinen.
    Indem du die beiden Pforten durchschreitest, machst du ihnen dein Angebot bekannt. Dann mußt du auf ein Zeichen von ihnen warten.«
    »Was wäre das für ein Zeichen, Don Juan?«
    »Vielleicht, daß eines von ihnen auftaucht; obwohl dies zu rasch wäre. Ich glaube, sie werden dir ein Zeichen geben, indem sie in deine Träume eingreifen. Ich glaube, daß die Angstanfälle, die du zur Zeit erlebst, keine Verdauungsbeschwerden sind, sondern Stromstöße fremder Energie, die dir von den anorganischen Wesen geschickt werden.«
    »Was soll ich tun?«
    »Du mußt deine Erwartungen mäßigen.«
    Ich verstand nicht gleich, was er damit meinte, aber dann fand er sich zu einer ausführlicheren Erklärung bereit. Wenn wir mit unseren Mitmenschen oder anderen organischen Wesen in Kontakt treten wollen, erwarten wir eine unmittelbare Antwort auf unser Angebot, sagte er. Bei anorganischen Wesen aber, weil sie durch eine sehr starke Barriere von uns getrennt sind - nämlich durch Energie, die sich mit anderer Geschwindigkeit bewegt - . müßten die Zauberer ihre Erwartungen mäßigen und ihr Angebot so lange aufrechterhalten, bis sie von diesen Wesen zur Kenntnis genommen werden.
    »Du meinst also, Don Juan, es geht um dieselbe Frage wie bei den Traumübungen?«
    »Ja. Um aber die gewünschten Resultate zu erzielen, mußt du deine Übungen um die Absicht ergänzen, diese anorganischen Wesen zu erreichen. Sende ihnen ein Gefühl von Kraft und Zuversicht, Stärke und Unabhängigkeit. Vermeide um jeden Preis, ihnen ängstliche und morbide Gefühle zu senden. Sie sind selbst ziemlich morbid; ihrer Düsterheit noch die unsere aufzuladen wäre doch unnötig, nicht wahr?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, Don Juan, wie sie den Zauberern erscheinen. Auf welche eigentümliche Art machen sie sich bemerkbar?«
    »Manchmal materialisieren sie sich, direkt vor uns, in der Alltagswelt. Meist aber macht sich ihre Anwesenheit durch ein körperliches Erschrecken bemerkbar, durch einen Schauder, der uns durch Mark und Bein fährt.«
    »Wie ist es beim Träumen. Don Juan?«
    »Beim Träumen ist es genau umgekehrt. Manchmal fühlen wir sie. wie du eben jetzt, als Anfall von Angst. Meistens materialisieren sie sich direkt vor uns. Weil wir, wenn wir mit dem Träumen anfangen, keinerlei Erfahrung mit ihnen haben, können sie uns einen heillosen Schrecken einjagen. Dies ist eine Gefahr für uns. Mittels dieser Angst können sie uns in den Alltag folgen - mit verheerenden Folgen für uns.«
    »Folgen welcher Art. Don Juan?«
    »Die Angst kann sich in unserem Leben einnisten, und auf so etwas dürfen wir uns nicht einlassen. Die anorganischen Wesen sind manchmal schlimmer als die Pest. Mittels der Angst können sie uns in den Wahnsinn treiben.«
    »Was tun die Zauberer mit den anorganischen Wesen?«
    »Sie verbinden sich mit ihnen. Sie machen sie zu Verbündeten. Sie bilden Vereinigungen, gehen ungewöhnliche Freundschaften ein. Es sind weitgespannte Bestrebungen, meine ich, wobei die Wahrnehmung die wichtigste Rolle spielt. Wir sind gesellige Wesen. Wir suchen stets die Gesellschaft anderer Arten von Bewußt-sein. Das Entscheidende beim Kontakt mit den anorganischen Wesen ist, sie nicht zu fürchten. Und zwar von Anfang an. Man muß ihnen eine Absicht von Kraft und Unabhängigkeit schicken. In diese Absicht muß man die Botschaft verschlüsseln: >Ich fürchte dich nicht: komm zu mir. Falls du kommst, bist du mir willkommen. Falls nicht, werde ich dich vermissen.< Solch eine Botschaft wird sie so neugierig machen, daß sie sich bestimmt einstellen«
    »Warum sollten sie zu mir kommen, oder warum sollte ich sie aufsuchen, um Himmels willen?«
    »Beim Träumen suchen die Träumer, ob sie es wollen oder nicht. Verbindung mit anderen Wesen. Vielleicht erschreckt es dich - aber die Träumer sind immer bereit, Gruppen mit anderen Wesen zu bilden, sich auch mit anorganischen Wesen zu verbinden. Die Träumer sind geradezu erpicht darauf.«
    »Das finde ich eigenartig, Don Juan. Warum tun die Träumer so etwas?«
    »Die anorganischen Wesen haben für uns den Reiz des Neuen. Und für sie liegt der Reiz des Neuen in der Art, wie wir die Grenzen ihrer Sphäre überschreiten. Vergiss nicht: die anorganischen Wesen, mit ihrem anders gearteten Bewußtsein, üben einen ungeheuren Sog auf Träumer aus und können sie leicht in ungeahnte Welten versetzen.
    Die Zauberer der Vorzeit

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