Die Kunst des Träumens
bedienten sich ihrer, und sie waren es auch, die den Namen >Verbündete< prägten. Ihre Verbündeten lehrten sie. den Montagepunkt über die Grenzen der Eigestalt hinaus in das nicht-menschliche Universum zu verschieben Wenn sie also einen Zauberer in andere Welten versetzen, dann sind dies Welten jenseits des menschlichen Bereichs.« Noch während ich ihm zuhörte, plagten mich sonderbare Befürchtungen und Ahnungen, was er sofort merkte. »Du bist letzten Endes ein religiöser Mensch«, sagte er. »Jetzt glaubst du den Atem des Teufels im Nacken zu spüren. Stell dir das Träumen doch folgendermaßen vor: Träumen heißt, mehr wahrzunehmen, als wir für möglich halten.« In meinen wachen Stunden beunruhigte mich der Gedanke, ein solches anorganisches Bewusstsein könne tatsächlich existieren. Wenn ich aber träumte, blieben meine Skrupel ziemlich belanglos. Die Anfälle körperlicher Angst hielten an, doch wenn sie eintraten, waren sie stets von einer seltsamen Ruhe gefolgt - einer Ruhe, die mich durchdrang und mich weitermachen ließ, als hätte ich die Angst nie gekannt.
Damals schien es mir, als stellten sich alle Fortschritte im Träumen ganz plötzlich bei mir ein. ohne Vorankündigung. So war es auch mit dem Auftreten anorganischer Wesen in meinen Träumen. Es geschah, während ich von einem Zirkus träumte, den ich als Kind besucht hatte. Der Schauplatz erinnerte an eine kleine Stadt in den Bergen Arizonas. Ich beobachtete die Leute und hegte wie stets die unbestimmte Hoffnung, jene Menschen wiederzusehen, die ich sah, als Don Juan mich zum erstenmal in die zweite Aufmerksamkeit versetzte.
Während ich sie beobachtete, überfiel mich, schlagartig, eine starke Nervosität in der Magengrube. Es war wie ein Fausthieb. Der Stoß lenkte mich ab, und ich verlor die Leute, den Zirkus und die Stadt in den Bergen Arizonas aus dem Blick. Statt dessen sah ich nun zwei sonderbar aussehende Gestalten vor mir stehen. Sie waren schmal, kaum einen Fuß breit, aber langgestreckt, über zwei Meter hoch. So ragten sie wie zwei riesige Regenwürmer vor mir auf.
Ich wußte, es war ein Traum, aber ich wußte auch, daß ich sah. Über das Sehen hatte Don Juan mit mir in meinem normalen Bewusstseinszustand und auch in der zweiten Aufmerksamkeit gesprochen. Obwohl ich es noch nicht selbst erfahren hatte, glaubte ich die Idee einer direkten Wahrnehmung von Energie doch zu verstehen. In diesem Traum, während ich jene zwei sonderbaren Erscheinungen anschaute, wurde mir klar, daß ich die energetische Essenz von etwas Unglaublichem sah. Ich blieb ganz ruhig. Ich bewegte mich nicht. Das Merkwürdigste war aber, daß die Gestalten sich nicht auflösten oder in etwas anderes verwandelten. Es waren kohärente Wesen, die ihre kerzenförmige Gestalt beibehielten. Irgend etwas in ihnen zwang irgend etwas in mir, ihren Anblick auszuhalten. Das wußte ich wohl, denn irgend etwas sagte mir, daß sie, wenn ich mich nicht bewegte, sich ebenfalls nicht bewegen würden. All dies endete irgendwann, als ich mit einem Schreck aufwachte.
Sofort überfiel mich die Angst. Tiefe Unruhe erfasste mich. Es war keine psychische Unruhe, sondern ein Gefühl körperlicher Beklommenheit, eine Traurigkeit ohne ersichtlichen Grund. Von nun an erschienen die beiden seltsamen Gestalten bei jeder meiner Traumübungen vor mir. Schließlich war es. als träumte ich nur, um ihnen zu begegnen. Dabei versuchten sie nie. sich mir zu nähern oder mich irgendwie zu belästigen. Sie standen nur reglos vor mir, solange mein Traum andauerte. Und ich unterließ nicht nur jeden Versuch, meine Träume zu wechseln, sondern vergaß sogar die ursprüngliche Aufgabe meiner Traumübungen. Als ich endlich mit Don Juan darüber sprach, was da mit mir geschah, hatte ich monatelang nichts andres getan, als die zwei Gestalten zu betrachten.
»Du stehst vor einem gefährlichen Scheideweg«, sagte Don Juan.
»Es wäre nicht richtig, diese Wesen fortzujagen, aber es ist auch nicht richtig, sie bleiben zu lassen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ihre Anwesenheit ein Hindernis für dein Träumen.«
»Was kann ich tun. Don Juan?«
»Tritt ihnen entgegen, sofort und in deiner normalen Lebenswelt, und sage ihnen, sie sollen später wiederkommen, wenn du mehr Traumenergie haben wirst.«
»Wie soll ich ihnen entgegentreten?«
»Es ist nicht leicht, aber es ist möglich. Voraussetzung ist nur, daß man genügend Mut hat - den du natürlich hast.« Noch bevor ich ihm sagen konnte, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher