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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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sind wieder am Ausgangspunkt, und die Antwort ist noch immer dieselbe. Diese Welt existiert genau in der Position, in der dein Montagepunkt sich in jenem Augenblick befand. Um sie wahrzunehmen, brauchtest du Kohäsion, und das heißt, du mußtest deinen Montagepunkt in dieser Position festhalten, was du auch getan hast. Die Folge war, daß du eine Zeitlang eine ganz neue Welt wahrnehmen konntest.«
    »Würden auch andere diese Welt wahrnehmen?«
    »Ja, wenn sie Gleichförmigkeit und Kohäsion hätten. Gleichförmigkeit heißt, gemeinsam die gleiche Position des Montagepunktes festzuhalten. Den ganzen Vorgang des Erwerbs von Gleichförmigkeit und Zusammenhalt außerhalb der normalen Welt bezeichneten die alten Zauberer als das Anpirschen an die Wahrnehmung.«
    »Die Kunst des Pirschens«. fuhr er fort, »hat etwas mit der Fixierung des Montagepunktes zu tun. wie ich schon sagte. Die alten Zauberer entdeckten, daß es zwar wichtig sein mag, den Montagepunkt zu verschieben, aber noch wichtiger ist es. ihn in seiner neuen Position festzuhalten, wo immer diese neue Position sein mag.«
    Und er erklärte, daß wir, wenn der Montagepunkt nicht fest an einem Ort bliebe, nicht zusammenhängend wahrnehmen könnten. In diesem Fall würden wir ein Kaleidoskop zusammenhangloser Bilder erleben. Aus diesem Grund hätten die alten Zauberer auf das Pirschen ebensoviel Wert gelegt wie auf das Träumen. Die eine Kunst könne nicht ohne die andere bestehen, besonders bei jenen Aktivitäten, mit denen sich die alten Zauberer beschäftigten.
    »Was waren das für Aktivitäten. Don Juan?«
    »Die alten Zauberer nannten sie die Feinheiten der zweiten Aufmerksamkeit oder das große Abenteuer des Unbekannten.« Diese Aktivitäten, sagte Don Juan, resultierten jeweils aus Verschiebungen des Montagepunkts. Nicht nur hätten die alten Zauberer gelernt, ihren Montagepunkt in Tausende von Positionen an der Oberfläche oder im Innern ihres Energiekörpers zu verschieben, sondern sie hätten auch gelernt, ihren Montagepunkt in diesen Positionen zu fixieren und somit ihre Kohäsion unbegrenzt lange beizubehalten.
    »Weichen Vorteil hatte dies. Don Juan?«
    »Wir können hier nicht von Vorteilen sprechen, sondern nur von Resultaten.«
    Die alten Zauberer hätten eine solche Kohäsion der Wahrnehmung erreicht, erklärte er, daß sie wahrnehmungsmäßig, und sogar körperlich, sich in all das verwandeln konnten, was die jeweilige Position des Montagepunktes ihnen vorschrieb. Sie vermochten sich in all das zu verwandeln, wofür sie ein bestimmtes Inventar hatten. Ein Inventar, sagte er, enthalte alle Details der Wahrnehmung, die beteiligt sind, wenn man sich zum Beispiel in einen Jaguar, in einen Vogel, in ein Insekt und so weiter verwandle.
    »Ich kann kaum glauben, daß eine solche Verwandlung möglich ist«, sagte ich.
    »Sie ist möglich«, beteuerte er. »Vielleicht nicht für dich oder mich, aber für jene Zauberer. Für sie war es eine Kleinigkeit.«
    Und er erzählte, daß diese alten Zauberer eine unglaubliche Beweglichkeit hatten. Sie brauchten nur die geringste Verlagerung ihres Montagepunktes, die leiseste Andeutung einer Wahrnehmung aus ihren Träumen, und sofort konnten sie ihre Wahrnehmung anpirschen, ihre Kohäsion gemäß ihrem neuen Bewußtseinszustand umgruppieren und ein Tier, ein anderer Mensch, ein Vogel werden, was immer sie wollten.
    »Aber ist es nicht das, was die Geisteskranken tun? Sich ihre eigene Realität erfinden, wie es ihnen eben paßt?«
    »Nein, es ist nicht das gleiche. Verrückte bilden sich eine eigene Realität ein, weil sie keinerlei vorgefaßtes Ziel haben. Die Verrückten bringen Chaos ins Chaos. Die Zauberer hingegen bringen Ordnung ins Chaos. Ihr vorgefaßtes, transzendentales Ziel ist, ihre Wahrnehmung zu befreien. Die Zauberer erfinden nicht die Welt, die sie wahrnehmen. Sie nehmen Energie direkt wahr, und dann entdecken sie. daß das, was sie wahrnehmen, eine unbekannte neue Welt ist, die einen ganz und gar verschlingen kann, weil sie ebenso real ist wie alles, was wir als Realität kennen.« Und dann gab Don Juan mir eine neue Darstellung dessen, was mit mir geschehen war, als ich den Mesquitestrauch anschaute. Anfangs hätte ich die Energie des Baumes wahrgenommen, sagte er. Subjektiv aber hätte ich geglaubt, ich träumte, weil ich Traumtechniken einsetzte, um Energie wahrzunehmen. Solche Traumtechniken in der Alltagswelt einzusetzen, beteuerte er, sei eines der wirksamsten Hilfsmittel der alten Zauberer

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