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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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In einer letzten verzweifelten Anstrengung versuchte der Kräftige, sich noch einmal aufzurichten, um Bramante zu töten und den Bruder vor der Hinrichtung zu bewahren. Dann sackte der große Körper wie ein gefällter Baum auf die Straße und rührte sich nicht mehr.
    Der Stumme stach blind und schluchzend mit dem Rapier nach dem Architekten. Der Stich traf ihn in die Seite, ging durch die Rippen hindurch und verfehlte um Haaresbreite das Herz. Bramante bückte sich nach dem Rapier des Toten, als ihn ein zweiter Hieb des Stummen traf. Doch er spürte keinen Schmerz und keine Angst, sondern nur einen so unbändigen Jähzorn, dass er vor Wut schielte. Mit einer Volte schlug er dem Mann den Degen aus der Hand. Und während er wie im Rausch auf seinen Gegner eindrosch, brüllte er ihn immer wieder an, er solle endlich seinen Auftraggeber nennen. Er hatte ganz und gar vergessen, dass der Kerl nicht sprechen konnte. Im Gegenteil, das hilflose Stammeln und Jammern, die tierischen Laute der Angst und der Qual, die die Natur in ihrer Grausamkeit dem Mann als Einziges zur Verfügung stellte, versetzten Bramante noch stärker in Raserei, weil er sie als Weigerung auffasste.
    Irgendwann spürte er nur noch Erlahmen und Müdigkeit. Er ließ den roten Stahl sinken und blickte zu Boden. Er stand in einer Blutlache. Der stumme bravo war wohl schon seit geraumer Zeit tot. Vor ihm lag nur noch ein schmutziges Bündel zerhauenen Fleisches, bei dem man nicht mehr zwischen Blut, Fleisch und Kleidung unterscheiden konnte. Der Architekt wankte, hinter ihm lag der Kräftige, ebenfalls tot. Seine Augen waren auf ihn gerichtet, groß und kalt wie die eines Fisches, aber noch im Ausdruck des Schmerzes gefangen, der sich im Tod in die Pupillen eingebrannt hatte, als der Blick stehen blieb und die Seele entwich, wohin auch immer.
    Bramantes Blick fiel auf die Rolle mit der Zeichnung. Er kramte in seiner Tasche und fand einen Rötelstift. Er musste sich setzen, weil sich alles um ihn herum zu drehen begann. Mit Bedacht ließ er sich neben der am Boden liegenden Skizze nieder. Er fischte sie mit seinen roten, nassen Fingern aus der Rolle, wobei er zahllose blutige Fingerabdrücke hinterließ. Auf seine Skizze des Petersdomes zeichnete er das Gesicht des Älteren der beiden Brüder, denn er wollte überall nach ihm fragen. Die beiden bravi hatten von dem Ring gewusst und versucht, ihm diesen zu stehlen. Gewiss waren sie im Auftrag von Picos Mörder unterwegs gewesen, den er nur den Sekretär nannte. Endlich war Bewegung in die Sache gekommen. Der Mörder jagte ihn. Oder genauer: den Ring.
    Bramante spürte, wie ihn die Fähigkeit verließ, klar zu denken. Alles verschwamm vor seinen Augen. Er sah an sich herab und dachte noch, dass er so nicht mehr auf seiner Feier erscheinen konnte. Was würden die Huren sagen? »Bramante hat sich löchern lassen«, würden sie spotten. Darüber musste er plötzlich kichern. Bramante hat sich löchern lassen … hat sich löchern lassen … Ihn überkam das Gefühl, den Wahnsinn der Welt zu umarmen … hat sich löchern lassen …

28

    Rom, Anno Domini 1505
    Ein Cavaliere, der von einem Bankett kam, hatte Bramante wiedererkannt und dem nicht weit vom Ort des Überfalls entfernt wohnenden Agostino Chigi Bescheid gegeben. Dieser schickte unter Führung eines alten Dieners ein paar handfeste Gesellen. Sie schafften die Leichen der beiden bravi fort und warfen sie kurzerhand in den Tiber. Es gelang ihnen aber nicht, sich dem Architekten zu nähern, denn der schlug, auf der Straße sitzend, ungestüm mit seinem Rapier um sich, weil er die Diener des Bankiers für neue Angreifer hielt.
    Man beriet sich und schickte schließlich trotz der späten Stunde nach Imperia. Als sie Bramante erblickte, wie er da in einer Blutlache saß, zornige Blicke um sich warf und wild fuchtelnd mit der Rapierklinge Löcher in die Luft stach, brach es ihr fast das Herz.
    »Donato, Lieber, ich bin es!« Er drehte sein Ohr in die Richtung, aus der er die geliebte Stimme vermutete, als ob er erblindet wäre. »Deine Imperia, mein Freund.«
    »Imperia?« Ein befreites Lächeln breitete sich auf seinem blutverschmierten Gesicht aus. Sie band die Ärmelschnüre ihres blauen Brokatkleides auf und riss wie selbstverständlich den Ärmel ihres Unterkleides ab. Dann hockte sie sich zu ihm und tupfte ihm mit dem Stofflappen das Blut vom Gesicht. Erstaunt und glücklich blickte er sie an. »Bin ich im Himmel?«
    »Meinst du, im Himmel sieht es aus wie

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