Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
einen zweiten, ebenfalls bewaffneten Spitzbuben, der einen Kopf kleiner war als sein Komplize. Er saß in der Falle.
Wie dumm, ausgerechnet jetzt, da er das Höchste erreichen wollte und darum zu kämpfen hatte, trat ihm das Schicksal plump entgegen! In seiner Eitelkeit und guten Stimmung hatte er zwar an den Federhut, nicht aber an sein Rapier gedacht.
»Ich habe keine Zeit. Ich gebe euch alles Geld, was ihr wollt, aber lasst mich gehen«, bat er in der Hoffnung, sich loskaufen zu können, und wusste schon im selben Moment, indem er das Angebot unterbreitete, dass er einen Fehler beging. Denn diesem Pack gegenüber dufte man keine Schwäche zeigen.
»Dein Geld interessiert uns nicht«, sagte der Größere mit rauer Stimme. Der Architekt presste sich mit dem Rücken an eine Hauswand, um nicht rücklings erstochen zu werden. »Ruhig, mein Alter, wir tun dir nichts. Wir wollen nur den Ring von deiner Hand. Ehrenwort!«
»Auf welche Ehre hin kannst du denn ein Wort geben?«, knurrte Bramante.
»Quatsch nicht so lange«, sagte der Wortführer und spuckte aus. »Gib uns den Ring freiwillig oder stirb! Wir bekommen ihn sowieso. Ob von einem toten oder einem lebendigen Mann, ist uns egal!«
Bramante fiel auf, dass der Zweite kein Wort gesagt hatte, vielleicht war er ja stumm. Er tastete sich an der Wand entlang und hoffte inständig, in seinem Rücken einen offenen Hauseingang zu finden. Doch plötzlich war da keine Mauer mehr! Er tat einen großen Schritt rückwärts und stieß gegen eine Holztür. Rasch drehte er sich um und stemmte sich dagegen. Die Tür rührte sich nicht.
Enttäuschung drang in seine Adern wie flüssiges Blei. Konnten die Götter so grausam sein? Jetzt, wo er kurz vor der Erfüllung des größten Ziels in seinem Leben stand, sollte er das Zufallsopfer zweier abgerissener Straßenräuber werden? Ach, Fortuna, was war sie nur für eine Metze? Hatte sie aus Überdruss sein Rad plötzlich angehalten, nachdem sie ihm zuvor noch einen so kräftigen Schwung verliehen hatte?
Harte Hände griffen von hinten nach ihm und rissen ihn zu Boden. Das Ziegenlederfutteral mit der Skizze von Neu Sankt Peter rollte wegen des Gefälles ein paar Schritte weiter an den gegenüberliegenden Straßenrand. Während der Stumme auf Bramantes Armen kniete und dadurch dessen Oberkörper am Boden fixierte, zog sein Kumpan ein kleines, krummes Messer mit breiter und stabiler Klinge aus der Tasche. Bramante spürte, wie Übelkeit in ihm hochstieg. Das Pack machte wirklich nicht viele Umstände und würde ihm den Ring mitsamt dem Finger abschneiden, den er doch zum Malen und Zeichnen brauchte. Wie am Spieß brüllte er um Hilfe und wusste doch, dass es vergebens sein würde, denn niemand wollte sich Ärger einhandeln. Wusste man denn, wer da mit wem rang? Ehe man sich versah, hatte man eine Klinge zwischen den Rippen oder den Zorn eines mächtigen Mannes erregt, was nicht weniger gefährlich sein konnte.
Einer so jähen wie hilflosen Eingebung folgend, zog Bramante den Rotz hoch und spie dem auf ihm hockenden Mann ins Auge, der für einen verschwindend kurzen Moment aus Überraschung etwas lockerer ließ. Dieser Augenblick aber genügte dem Architekten, um sich aufzubäumen und nach rechts zu winden. Dadurch bekam er den linken Arm frei und stieß nun mit Zeige- und Ringfinger kraftvoll in die Augen des Stummen. Es glitschte unangenehm und knirschte, als hätte er die Schale eines ausgeblasenen Eis durchstoßen. Er spürte eine unangenehme Nässe an den Fingerkuppen. Der Stumme brüllte vor Schmerz wie ein Tier und sprang auf. Dann riss er die Hände vor die Augen und rannte schreiend im Kreis herum. Diesen Moment nutzte Bramante, um die Hand des anderen Straßenräubers mitsamt dem Messer zu packen, umzudrehen und an seinen Hals zu führen. Als Bramante ihm mit der Klinge über die Kehle strich, spritzte Blut auf sein Samtwams, auf die Ärmel und auch auf das Kragenbündchen des weißen Hemdes, wie er mit Bedauern feststellte. Vor Schreck ließ der Kräftige das Messer fallen. Bramante hob es rasch auf und vertiefte mit Schwung den Schnitt in die Kehle des Mannes. Nun spritzte das Blut nicht mehr, sondern floss im breiten Strom aus dem Hals. Die Augen des Sterbenden weiteten sich. Er röchelte erbarmungswürdig.
»Mein Bruder, was wird …?« In seinen Augen wetteiferten Sorge und Zärtlichkeit für den Bruder miteinander.
»Was schon! Gerädert und gevierteilt wird er!«, stieß Bramante in seinem Zorn umbarmherzig hervor.
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