Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
und möglicherweise ins Rutschen kommt. Wollten wir die Fundamente für einen so großen Bau nutzen, müssten wir den Abhang unterfüttern und befestigen.«
»Aber es wäre möglich?« Julius war noch nicht überzeugt.
»Ja, nun, möglich ist viel.«
»Ist es möglich?«
Bramante vermochte seinen Zorn kaum zu bändigen. Religiöses Geschwätz und Kleingeisterei standen auf, um seine göttliche Idee zu zerstören. Das durfte nicht geschehen!
»Heiliger Vater, lasst den Gedanken einmal in Euch wirken. Stellt Euch vor, dass der Tempel, den Ihr, ein weitaus größerer Cäsar, aufrichten werdet, das majestätische Denkmal des ersten Julius gleichsam im Vorhof haben wird. Wie wird dieser gewaltige Obelisk die Seelen der Christen erschüttern und dadurch noch empfänglicher machen für die Größe Christi, die sie im Dom erwartet! Sorgt Euch doch nicht um das Grab unseres geliebten Apostels, es wird dabei nicht zu Schaden kommen. Mit meinen eigenen Händen werde ich es verlegen!«, beteuerte Bramante und hob beschwörend die Arme. »Wäre Petrus unter uns, er wäre der Erste, der seine Zustimmung erteilte, weil es um die Größe der Kirche geht, die Christus auf Petrus gründete.«
»Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein«, zitierte Egidio zustimmend.
»Aber es steht nicht geschrieben, dass man den Felsen beliebig verschieben darf. Es ist Sünde, sich aus Eitelkeit am Grab des Apostelfürsten zu vergehen«, rief Giacomo mit erhobenem Zeigefinger. »Und viele, viele werden es so sehen!«
»Was werden sie sehen, mein Sohn?«, fragte der Papst lauernd.
»Dass dem Heiden Cäsar zuliebe Petrus weichen muss!«
»Unser Sohn Giacomo hat recht«, entschied Julius II. Dann erhob er seine Stimme und verkündete: »Wir wollen, dass der Neubau erfolgt, aber die Lage der alten Basilika darf nicht berührt werden. Der Apostel Petrus bleibt, wo er ist. Das heilige Grab des ersten Papstes darf nicht angerührt werden. Schaff Uns einen Entwurf, der das berücksichtigt, Donato. Wie du es mit dem Obelisken hältst, ist deine Angelegenheit. Aber merke dir: Immer werden Wir das Christliche dem Heidnischen, die Religion der Pracht und die Pietät dem Schmuck vorziehen, die Wahrheit der prunkenden Äußerlichkeit.«
Bramante wollte etwas erwidern, hielt sich dann aber doch zurück. Wenn er auch mit seinem Plan Schiffbruch erlitten hatte, so lag er weiterhin gut im Rennen, mehr noch, er war derjenige, der vom Papst beauftragt worden war.
»Da es nun einmal beschlossene Sache ist, Sankt Peter zu erweitern und zu erneuern, wollen wir nicht einen kleinen Wettbewerb der Ideen veranstalten?«, schlug Giacomo vor.
»An wen denkst du?«, fragte der Papst.
»An Frà Giocondo.«
»An den Architektenmönch? Aber ist der nicht in Frankreich?«
»Nein, gerade eben nach Venedig zurückgekehrt.«
Eines musste Bramante dem Dominikaner lassen, er hatte sich gründlich vorbereitet.
»Eine schöne Idee, mein Sohn! Und auch du, Giuliano, denke mit!«, schloss der Papst die Audienz. »Für das Haus Petri bedürfen Wir des Rates aller guten Meister der Baukunst.«
Hatte Bramante gerade eben noch den Auftrag sicher gehabt, so würde er jetzt um ihn kämpfen müssen. Er beschloss, sich mit Giuliano da Sangallo abzustimmen. Sie durften sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Der Erzpriester, den er benutzen wollte, hatte ihm soeben ein Schnippchen geschlagen. Das durfte sich nicht wiederholen. Er fühlte sich herausgefordert. Man wollte, dass er kämpfte. Nun gut, dann würde er sich eben schlagen. Der Petersdom war sein Projekt, die Aufgabe, die das Leben für ihn bereithielt. Und für niemanden sonst!
Die Dunkelheit seines Herzens ergoss sich über Regola, als Bramante, laut über den lästigen Dominikaner fluchend, durch die Straßen schritt. In seinem Alter wurde Zeit von Tag zu Tag wertvoller als Gold. Als er von der Via del Bianchi mit seiner in Ziegenleder eingerollten Skizze unter dem Arm in eine Gasse bog, die direkt zu seinem kleinen Palazzo in der Nähe der deutschen Kirche führte, sprang eine kräftige Gestalt aus einem Hauseingang und versperrte ihm den Weg. In der Hand hielt der Angreifer einen Degen. Bramante wandte sich ruckartig um und entdeckte
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